Prozess um Atomsubventionen für Hinkley Point C beginnt: Unternehmensbündnis hat Klage gegen EU-Kommission eingereicht
(ots) - Ein Bündnis aus Ökostromanbietern und
Stadtwerken hat heute beim Gericht der Europäischen Union (EuG) in
Luxemburg Klage gegen Subventionen für das geplante britische
Atomkraftwerk Hinkley Point C eingereicht. Die zehn Unternehmen aus
Deutschland und Österreich gehen damit wie angekündigt juristisch
gegen die EU-Kommission vor. Diese hatte die umstrittenen Beihilfen
im vergangenen Jahr genehmigt. Das Klagebündnis wirft der Kommission
hierbei Rechts- und Verfahrensfehler vor. Zudem befürchten die
Kläger, das weit mehr als 100 Milliarden Euro umfassende
Subventionspaket für Hinkley Point C könnte zusammen mit weiteren
AKW-Projekten den europäischen Energiemarkt massiv verzerren und der
riskanten Atomtechnik Wettbewerbsvorteile verschaffen. Die
Klageschrift wurde am Morgen elektronisch an das EuG übermittelt.
Damit gilt das Verfahren offiziell als eröffnet.
"Wir wollen die Entscheidung der EU-Kommission vom Gericht für
nichtig erklären lassen, denn diese maßlosen Atomsubventionen sind
aus unserer Sicht eine unrechtmäßige Betriebsbeihilfe. Diese hätte
niemals genehmigt werden dürfen", sagt Sönke Tangermann, Vorstand bei
Greenpeace Energy. Zusammen mit dem Hamburger Ökoenergieanbieter
ziehen die österreichische oekostrom AG sowie die Stadtwerke Aalen,
Bietigheim-Bissingen, Bochum, die Energieversorgung Filstal, Mainz,
Mühlacker, Schwäbisch Hall und Tübingen nun vor Gericht. "Wir sehen
die Gefahr, dass die europäischen Strommärkte künftig mit hoch
subventioniertem Atomstrom geflutet werden könnten und regionale,
hocheffiziente und ökologische Stromproduktion aus dem Markt gedrängt
wird", sagt Dr. Achim Kötzle, energiewirtschaftlicher Geschäftsführer
der Stadtwerke Tübingen. Aus Sicht der Stadtwerke leidet insbesondere
die Wirtschaftlichkeit dezentraler Erzeugungsanlagen unter den
geplanten Atomsubventionen.
Das Klagebündnis hatte wissenschaftliche Studien beauftragt, denen
zufolge sich allein die staatlich garantierten Vergütungen für
Atomstrom aus Hinkley Point C auf rund 108 Milliarden Euro summieren.
Die geplanten Garantievergütungen sind mit umgerechnet 12 Cent pro
Kilowattstunde dreimal so hoch wie der Marktpreis und sollen -
angepasst an die Inflation - für 35 Jahre garantiert werden. Diese
hohen Subventionen für ein einzelnes AKW beeinflussen durch den
grenzüberschreitenden europäischen Stromhandel auch den Markt in
Deutschland - mit der Folge, dass die Großhandelspreise für Strom
hierzulande sinken. Dies aber führt zu Wettbewerbsnachteilen und
Mindererlösen für andere Versorger wie auch für Anbieter von
erneuerbaren Energien.
Falls weitere EU-Staaten wie geplant das britische Beihilfemodell
für eigene AKW-Projekte übernehmen, könnte diese Preisverzerrung in
Deutschland sogar bis zu zwölf Prozent betragen und so zu massiven
Verwerfungen auf dem Strommarkt und auch zu höheren Endkundenpreisen
führen. Denn die drohende Marktverzerrung führt zu Mehrausgaben für
das EEG-System, weil höhere Ausgleichszahlungen fällig werden. Dies
belastet besonders Privathaushalte und mittelständische Unternehmen
in Deutschland.
"Weder hat die Kommission die weitreichenden Folgen ihrer
Subventionsgenehmigung ausreichend analysiert, noch hat sie etwa
berücksichtigt, dass es für Hinkley Point C keine Ausschreibung gab
und auch kein generelles Marktversagen vorlag, welches Beihilfen
überhaupt rechtfertigen würde", sagt Dr. Dörte Fouquet. Die
Rechtsanwältin und Partnerin der international tätigen Kanzlei Becker
Büttner Held ist ausgewiesene Expertin im Beihilfe- und Energierecht
und vertritt die Klagegemeinschaft vor dem Gericht der Europäischen
Union. Bereits vor einigen Tagen hat die Republik Österreich eine
eigene Klage gegen die Subventionsentscheidung für Hinkley Point C
eingereicht. Auch Luxemburg hat juristische Schritte angekündigt.
Die deutsche Bundesregierung weigert sich bisher, ebenfalls
gerichtlich gegen die umstrittene Subventionsentscheidung vorzugehen
und macht dafür vor allem politische Gründe geltend. "Wer die teure,
riskante und wettbewerbsverzerrende Wiederkehr der Atomkraft in
Europa einfach hinnimmt, verrät die Energiewende im eigenen Land",
sagt Sönke Tangermann von Greenpeace Energy. Mehr als 15.000 Menschen
sind deshalb innerhalb weniger Wochen einem Aufruf der
Energie-Genossenschaft gefolgt und haben die deutsche Politik per
E-Mail, Postkarte oder Online-Petition aufgefordert, ebenfalls
juristisch gegen die Subventionsgenehmigung für Hinkley Point C
vorzugehen. Greenpeace Energy wird die Postkarten heute an das
Bundeswirtschaftsministerium übergeben und Minister Sigmar Gabriel
(SPD) damit nochmals zum Handeln auffordern. Die Frist, innerhalb
derer Staaten oder Unternehmen gegen die Entscheidung der
EU-Kommission klagen können, läuft noch bis 23. Juli.
Pressekontakt:
Pressekontakt für die Klagegemeinschaft
Christoph Rasch
Politik und Kommunikation
Greenpeace Energy eG
Telefon 040 / 808 110 - 658
christoph.rasch(at)greenpeace-energy.de
www.greenpeace-energy.de
Redaktioneller Hinweis: Weitere Informationen zur Klage und den
Auswirkungen der geplanten Atomsubventionen, Kurzbeschreibungen der
beteiligten Unternehmen in Deutsch und Englisch sowie ergänzendes
Bildmaterial finden Sie unter www.greenpeace-energy.de/presse.hmtl.
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Datum: 15.07.2015 - 11:00 Uhr
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