Gödel und Turing in der Welt der Quantenphysik / Fundamentales Problem der Quantenphysik unlösbar
(ots) - Ein vielen fundamentalen Fragen der Teilchen- und 
Quantenphysik zugrunde liegendes mathematisches Problem ist 
nachweislich unlösbar. Den Beweis dafür haben Wissenschaftler der 
Technischen Universität München (TUM), des University College London 
(UCL) und der Universidad Complutense in Madrid - ICMAT erbracht. Es 
ist das erste wichtige Problem der Physik, für das eine so 
grundlegende Einschränkung gilt. Die Ergebnisse zeigen, dass sogar 
eine perfekte und vollständige Beschreibung der mikroskopischen 
Eigenschaften eines Materials nicht ausreicht, um sein 
makroskopisches Verhalten vorherzusagen.
   Eine kleine "spektrale Lücke" - die Energie, die benötigt wird, um
ein Elektron aus dem niedrigsten Energiezustand in einen angeregten 
Zustand zu befördern - ist die zentrale Eigenschaft von Halbleitern. 
In ähnlicher Weise spielen spektrale Lücken auch bei vielen anderen 
Materialien eine wichtige Rolle. Schließt sich diese spektrale Lücke,
das heißt, wird der Energieabstand sehr klein, können Materialien 
sprunghaft zu einem völlig anderen Verhalten übergehen. Ein Beispiel 
hierfür ist der Übergang zur Supraleitung bei tiefen Temperaturen.
   Eine gängige Methode bei der Suche nach Materialien, die Strom 
auch bei Raumtemperatur verlustlos leiten oder andere wünschenswerte 
Eigenschaften besitzen, ist die mathematische Modellierung: Ausgehend
von einer mikroskopischen Beschreibung des Materials wird auf die 
makroskopischen Eigenschaften geschlossen. Die von den 
Wissenschaftlern heute in Nature veröffentlichte Studie zeigt jedoch 
entscheidende Grenzen dieses Ansatzes. Mit ausgefeilter Mathematik 
bewiesen die Autoren, dass auch bei einer vollständigen 
mikroskopischen Beschreibung eines Quantenmaterials im Allgemeinen 
nicht vorhersagbar ist, ob das Material eine spektrale Lücke hat.
   "Alan Turing ist berühmt für seine Rolle beim Knacken des 
Enigma-Codes", sagt Co-Autor Dr. Toby Cubitt, Informatiker am UCL. 
"Aber unter Mathematikern und Informatikern, er ist noch bekannter 
für seinen Beweis, dass bestimmte mathematische Fragen 
''unentscheidbar'' sind - sie sind weder wahr noch falsch, sondern 
außerhalb der Reichweite der Mathematik. Wir haben gezeigt, dass die 
spektrale Lücke eines dieser unentscheidbaren Probleme ist. Das 
bedeutet, es kann keine allgemeine Methode geben um festzustellen, ob
ein quanten-mechanisch beschriebenes Material eine spektrale Lücke 
hat, oder nicht. Dies begrenzt die Möglichkeiten, das Verhalten von 
Quantenmaterialien vorherzusagen entscheidend - möglicherweise sogar 
grundlegende Aussagen in der Teilchenphysik."
   Eine Million Dollar zu gewinnen!
   Das bekannteste Problem bezüglich spektraler Lücken ist die Frage,
ob das Standardmodell der Teilchenphysik eine spektrale Lücke 
vorhersagt. Die "Yang-Mills-Massenlücke-Vermutung" gilt als eines der
sieben sogenannten Millenium-Probleme. Teilchenphysikalische 
Experimente wie CERN und numerische Rechnungen auf Supercomputern 
legen nahe, dass es auch hier eine spektrale Lücke gibt. Demjenigen, 
der dies mathematisch aus den Gleichungen des Standardmodells 
beweist, winkt ein Preis des Clay Mathematics Institute (USA) in Höhe
von einer Million Dollar.
   "In bestimmten Fällen kann ein Teilproblem lösbar sein, auch wenn 
das allgemeine Problem unentscheidbar ist. Den begehrten Preis könnte
also noch jemand gewinnen", sagt Dr. Cubitt. "Aber unsere Ergebnisse 
deuten stark darauf hin, dass einige der großen offenen Probleme der 
theoretischen Physik nachweislich unlösbar sein könnten."
   "Seit den Arbeiten von Turing und Gödel in den 1930er Jahren war 
bekannt, dass es prinzipiell unentscheidbare Probleme gibt", sagt 
Michael Wolf, Professor für Mathematische Physik an der Technischen 
Universität München. "Bisher fanden sich solche jedoch nur in sehr 
abstrakten Winkeln der theoretischen Informatik und der 
mathematischen Logik. Niemand hätte so etwas mitten im Herzen der 
theoretischen Physik erwartet. Doch unsere Ergebnisse ändern dieses 
Bild. Aus einer mehr philosophischen Perspektive heraus betrachtet 
sind sie auch eine Herausfor-derung für den reduktionistischen 
Standpunkt: denn die unüberwindliche Schwierigkeit liegt gerade in 
der Herleitung der makroskopischen Eigenschaften aus einer 
mikroskopischen Beschreibung."
   Eine schlechte und eine gute Nachricht
   "Das alles ist aber nicht nur eine schlechte Nachricht", sagt 
David Pérez-García Professor an der Universidad Complutense de Madrid
und am Instituto de Ciencias Matemáticas (ICMAT). "Der Grund dafür, 
dass dieses Problem nicht zu lösen ist, liegt darin, dass Modelle auf
dieser Ebene ein extrem abnormes Verhalten zeigen. Es macht es uns 
unmöglich sie zu analysieren. Aber diese bizarre Verhalten zeigt auch
eine sehr eigenartige, neue Physik, die niemand zuvor gesehen hat. 
Fügt man beispielsweise zu einem Stück Materie, egal wie groß, auch 
nur ein einziges Teilchen hinzu, könnte dies im Prinzip seine 
Eigenschaften dramatisch verändern. Neue Physik wie diese hat schon 
oft auch neue Technologien hervorgebracht."
   Die Forscher versuchen nun, ihre in der künstlichen Welt 
mathematischer Modelle gewonnenen Erkenntnisse auf reale 
Quantenmaterialien zu übertragen, die im Labor hergestellt werden 
können.
   Die Forschung wurde von der John Templeton Foundation, der Royal 
Society (UK), dem spanischen Ministerium für Wirtschaft und 
Wettbewerbsfähigkeit (Mineco), der Madrider Regionalregierung und dem
European Research Council (ERC) gefördert.
   Publikation:
   Undecidability of the Spectral Gap, Toby S. Cubitt, David 
Perez-Garcia, Michael M. Wolf; Nature, 528, 207-211, 10 December 2015
- DOI: 10.1038/nature16059 - 
http://www.nature.com/nature/journal/v528/n7581/full/nature16059.html
   Bildmaterial:
   https://mediatum.ub.tum.de/?id=1285579
   Das UCL (University College London) wurde 1826 gegründet. Es war 
damit die erste englische Universität nach Oxford und Cambridge und 
die erste, die Hochschulbildung auch jenen öffnete, die zuvor davon 
ausgeschlossen waren. Als erste bot sie eine systematische 
Vermittlung in den Fächern Recht, Architektur und Medizin an. Das UCL
gehört zu den weltbesten Universitäten, wie das Abschneiden in 
internationalen Rankings belegt. Das UCL hat derzeit über 35.000 
Studenten aus 150 Ländern sowie mehr als 11.000 Mitarbeiter und 
verfügt über einen Jahresetat von mehr als einer Mrd. £.
   ICMAT ist ein gemeinsames Zentrum des Consejo Superior de 
Investigaciones Científicas (CSIC) und dreier Universitäten in 
Madrid: die Universidad Autonoma (UAM); Universidad Carlos III 
(UC3M); und Universidad Complutense (UCM). Sein Hauptziel ist die 
Förderung qualitativ hochwertiger mathematischer und 
interdisziplinärer Forschung. Die hohe Qualität seiner 
Forschungsprojekte belegt seine Aufnahme als eines der 23 spanischen 
Spitzenforschungszentren in das Severo Ochoa-Programm. Darüber hinaus
haben seine Forscher zehn der renommierten Starter und Consolidator 
Grants des European Research Councils (ERC) gewonnen.
   Die Universidad Complutense Madrid (UCM) ist eine Institution mit 
langer Geschichte und breiter gesellschaftlicher Anerkennung. Sie 
zählt zu den besten Universitäten Europas und ist ein Referenzzentrum
für Lateinamerika. Sie ist forschungsstark, und viele ihrer Gruppen 
sind international führend. Die UCM entwickelt 
Spitzenforschungszentren, basierend auf Qualität und Förderung 
aufstrebender Teams, die junge Forscher integrieren. Die UCM ist eine
öffentliche Spitzenuniversität im Dienste der Gesellschaft, die ihren
Absolventen eine in der Industrie anerkannte Ausbildung bietet.
   Die Technische Universität München (TUM) ist mit mehr als 500 
Professorinnen und Professoren, rund 10.000 Mitarbeiterinnen und 
Mitarbeitern und 39.000 Studierenden eine der forschungsstärksten 
Technischen Universitäten Europas. Ihre Schwerpunkte sind die 
Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften 
und Medizin, ergänzt um Wirtschafts- und Bildungswissenschaften. Die 
TUM handelt als unternehmerische Universität, die Talente fördert und
Mehrwert für die Gesellschaft schafft. Dabei profitiert sie von 
starken Partnern in Wissenschaft und Wirtschaft. Weltweit ist sie mit
einem Campus in Singapur sowie Verbindungsbüros in Brüssel, Kairo, 
Mumbai, Peking, San Francisco und São Paulo vertreten. An der TUM 
haben Nobelpreisträger und Erfinder wie Rudolf Diesel, Carl von Linde
und Rudolf Mößbauer geforscht. 2006 und 2012 wurde sie als 
Exzellenzuniversität ausgezeichnet. In internationalen Rankings 
gehört sie regelmäßig zu den besten Universitäten Deutschlands. 
www.tum.de
Kontakt:
Prof. Dr. Michael M. Wolf
Technische Universität München
Boltzmannstr. 3, 85748 Garching, Germany
Tel.: +49 89 289 17002 - E-Mail: m.wolf(at)tum.de - 
Web: http://www-m5.ma.tum.de/Allgemeines/MichaelWolf
      
Themen in dieser Meldung:
Unternehmensinformation / Kurzprofil:
Datum: 14.12.2015 - 09:13 Uhr
Sprache: Deutsch
News-ID 1299313
Anzahl Zeichen: 0
Kontakt-Informationen:
Ansprechpartner:
Stadt:
München
Telefon:
Kategorie:
Forschung und Entwicklung
Anmerkungen:
Diese HerstellerNews wurde bisher 445 mal aufgerufen.
Die Meldung mit dem Titel:
"Gödel und Turing in der Welt der Quantenphysik / Fundamentales Problem der Quantenphysik unlösbar
"
steht unter der journalistisch-redaktionellen Verantwortung von
Technische Universität München (Nachricht senden)
Beachten Sie bitte die weiteren Informationen zum Haftungsauschluß (gemäß TMG - TeleMedianGesetz) und dem Datenschutz (gemäß der DSGVO).
Alle Meldungen von Technische Universität München
- "Rußfrei" ist technisch unmöglich: Die Wahrheit hinter Kerzen-Werbung
- Effiziente Datenverarbeitung im Anlagenbau & BIM-Prozess
- Agritechnica 2025 - Fraunhofer IGD zeigt datenbasierte Lösungen für Biodiversität und Klimaschutz
- Kuckuck: Mütterliche Gene sorgen für Eier mit verschiedenen Farben
- Agritechnica 2025 - Fraunhofer IGD zeigt datenbasierte Lösungen für Biodiversität und Klimaschutz




