Arzneimittelforschung: Pharmakometrie - Das Bauchgefühl konkretisieren
(ots) - Der richtige Wirkstoff in der richtigen Dosis für 
den jeweiligen Patienten - das ist das Ziel von 
Arzneimittelforschung. Dabei spielen computerbasierte Berechnungen 
eine immer größere Rolle: Pharma-Unternehmen investieren deshalb 
verstärkt auch in den Bereich der Pharmakometrie: Auf Basis von 
Rechenmodellen kann z. B. die optimale Dosierung von Wirkstoffen 
vorhergesagt werden. Dieses Vorgehen ermöglicht einen schnellen und 
effizienten Erkenntnisgewinn - der dann in klinische Studien direkt 
einfließen kann.
   Sven Mensing ist Bio-Mathematiker und hat in Medizinischer 
Informatik promoviert. Das Pharmakometrie-Team beim Pharmaunternehmen
AbbVie in Ludwigshafen ist bunt gemischt: Pharmakologen, 
Medizintechniker, auch Physiker arbeiten daran, Wirkung und 
Nebenwirkung von Wirkstoffen möglichst genau vorherzusagen. Ihr 
Werkzeug: der Computer. Oder besser: eine Computerlandschaft. Rund 
2.000 Rechenkerne stehen ihnen zur Verfügung. Zur Orientierung: ein 
brauchbarer Laptop hat heute zwei Kerne.
   "Wir arbeiten daran, die Biologie in den Computer zu bringen", 
sagt Mensing. Dazu müssen biologische Prozesse in mathematische 
Formeln übersetzt werden. Am Anfang steht die Datensammlung - mit 
seinem Team saugt er alles auf, was für die Fragestellung relevant 
sein könnte: Das sind Daten aus eigenen klinischen Studien, 
allgemeine wissenschaftliche Erkenntnisse, Erfahrungen aus der Praxis
der Behandlung und auch Veröffentlichungen anderer Unternehmen. 
"Daraus erstellen wir Differentialgleichungen, mit denen wir den 
Computer füttern." Das können mal zwei Gleichungen sein - oder auch 
50.
   Vorhersagen, was noch nicht beobachtet wurde
   Die Pharmakometrie ist eine noch relativ junge Disziplin - eine 
"emerging science", wie die US-Zulassungsbehörde sie beschreibt. Am 
besten ist sie wohl als Schnittstelle zwischen Biologie und 
Mathematik definiert: Sie arbeitet mit mathematischen Modellen, um 
vorherzusagen, was ein bestimmter Wirkstoff im Körper macht, wie 
lange er seine Wirkung behält und wie sich die Wirkung im 
Krankheitsverlauf ändert. Es geht darum, die Dynamik zwischen der 
Gabe eines Arzneimittels, dem behandelten Patienten und dem 
Therapieergebnis besser zu verstehen. Sven Mensing beschreibt es so: 
"Wir können auf Basis unserer Modelle Vorhersagen treffen, die noch 
nicht beobachtet wurden." Das steigert nicht nur die Effizienz der 
Arzneimittelforschung. Es kann auch langwierige Umwege auf dem Weg zu
einem innovativen Arzneimittel ersparen: "Überspitzt heißt das: wir 
konkretisieren das Bauchgefühl", sagt er.
   Pharmakometriker entwickeln mathematische Formeln
   Ein konkretes Beispiel: Die neueste Generation von Hepatitis 
C-Medikamenten ist sehr wirksam. So wirksam, dass das Virus bei einem
Patienten bereits nach zwei Wochen nicht mehr nachweisbar ist. Nicht 
nachweisbar heißt aber noch nicht unbedingt virusfrei - und in der 
Tat können sich mit derzeitigen Nachweismethoden gemessen noch bis zu
rund eine Millionen Viren im Körper befinden. Die Fragen an Mensings 
Team lauteten folglich: Wie lange muss weiterbehandelt werden, bis 
der Patient wirklich virenfrei und damit geheilt ist? Und in welcher 
Dosierung? Spielt Geschlecht und Gewicht eine Rolle? "Wir haben 
beispielsweise errechnen können, dass das Gewicht durchaus eine Rolle
spielen kann, aber eben nicht in dem Maße, dass eine 
gewichtsabhängige Dosierung notwendig ist." Wichtige Erkenntnis aus 
der Pharmakometrie: Es müssen nicht verschiedene Dosierungen 
entwickelt werden. Außerdem fand Mensing mit seinem Team heraus, dass
eine Therapiedauer von vier Wochen nicht ausreichend ist, um die 
Patienten wirklich virenfrei zu bekommen - der neueste Stand sind 
acht Wochen.
   Auch die Frage der Dosierung kann per Datenpakete modelliert 
werden. "Ein Beispiel: Reichen von einem bestimmen Wirkstoff 200 
Milligramm - und kann ich die einmal am Tag geben? Oder muss es zwei 
Mal am Tag 100 Milligramm sein?" Das ist keine unbedeutende 
Fragestellung, denn die Therapietreue der Patienten ist deutlich 
höher, je einfacher die Therapie ist. Und das wiederum hat 
Auswirkungen auf den Erfolg der medikamentösen Intervention. Der 
Vorteil der Mathematik-getriebenen Forschung: Die Pharmakometrie kann
schon früh das Signal geben "Die Einmal-Gabe wird ausreichend sein". 
Diese Erkenntnis fließt direkt in die klinischen Studien ein. Die 
Frage nach der Dosierung kann also in den Studien - und damit am 
Patienten - gezielter erforscht werden.
   Pharmakometriker entwickeln keine Wirkstoffe. Sie entwickeln 
mathematische Formeln, um die Forschung von Wirkstoffen zu 
unterstützen und das Forschungsrisiko zu mindern. Und sie sorgen 
dafür, dass klinische Studien für Patienten noch sicherer werden und 
die wissenschaftlichen Erkenntnisse in Form neuer Therapien schneller
bei den Patienten ankommen.
Pressekontakt:
Winfried Rauscheder
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Datum: 16.08.2017 - 10:06 Uhr
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