IndustrieTreff - Alternative zur Megatrasse: Hochspannungsleitungssystem auf Deutschlands Autobahnmittelstreifen

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Alternative zur Megatrasse: Hochspannungsleitungssystem auf Deutschlands Autobahnmittelstreifen

ID: 1050003

Die Planungen für ein neues Hochspannungsleitungssystem quer durch Deutschland laufen auf Hochtouren, desgleichen der Widerstand. Doch lassen sich die Dimensionen der Masten soweit reduzieren, dass sie auf den Autobahnmittelstreifen Platz finden. Kleine Modifikationen der bisherigen Technik, spezielle Isolatoren und eins der dichtesten Autobahnnetze der Welt machen es möglich.

(industrietreff) - Für die künftige Energieversorgung mit elektrischer Energie braucht Europa eine Verbindung von Skandinavien bis Sizilien und von Gibraltar bis nach Osteuropa. Im Zentrum des Vorhabens liegt natürlicherweise Deutschland. Die Höchstleistung solcher Leitungen sollte bei 10 GW liegen und lässt sich aus mehreren Gründen nicht mehr mit Drehstromfreileitungen bewältigen. Deshalb sind als Alternative zu Drehstromleitungen Gleichstromleitungen im Gespräch. Bei Annahme einer Spannung von 1 MV müssten Ströme bis zu 10 kA bewältigt werden. Trotz der im Vergleich zu ebenfalls diskutierten Drehstromleitungen entfallenden Ummagnetisierungsverluste wäre der Kühlungsbedarf nur mit Freileitungen ökonomisch realisierbar. Die Kabel unterirdisch zu führen, bietet sich aufgrund der enormen Kosten nur für kürzere Abschnitte, etwa innerhalb von Städten, an.

Solche Freileitungen würden wegen des hohen Isolationsbedarfs gigantische Ausmaße annehmen. Die technische Frage der Umsetzung wurde zu einer politischen, der Dialog mit den Bürgern ist in vollem Gange. Seit Anfang Februar 2014 liegen die Pläne auf dem Tisch. Bis 2022 sollen rund 2800 Kilometer Stromleitungen quer durch Deutschland neu verlegt werden, darunter eine Nord-Süd-Achse, die 800 km lange Haupttrasse ‚SuedLink‘, die Energie aus den Windparks im Norden Deutschlands nach Süden transportiert. Die Folgen für die von der Leitungsführung in ihrem Lebensumfeld betroffenen Bevölkerung und die Grundstückseigentümer wären gravierend und sind seit Monaten öffentlicher Streitgegenstand. Der Widerstand von Landbesitzern und Bürgerinitiativen stehen einer schnellen Realisierung dieses Unternehmens schon heute massiv im Wege und würden im Falle der Umsetzung immense Kosten verursachen.

Das alles muss so nicht sein, sagt Professor Dr. Wolfgang Hohmann.

Einige kleine Modifizierungen der herkömmlichen Führung von Gleichstromleitungen erlauben es, die Masten so schlank und schmal zu gestalten, dass die Nutzung der Autobahnmittelstreifen als Trassenstandorte für Hoch- und Höchstspannungsleitungen möglich wird. Führt man anodische und kathodische Leitungen in größerem Abstand getrennt voneinander, reduziert das den Isolationsbedarf in entscheidendem Maße. Die zusätzliche Verwendung spezieller Isolatoren und die Anordnung der Leiter in einem Sechseck, statt wie bisher im Viereck, reduzieren die durch Wind verursachten Schwingungen auf ein Minimum.





Das deutsche Autobahnnetz ist dafür in besonderer Weise geeignet, weil es so dicht ist, dass mit wirtschaftlich tragbaren Umwegen anodische und kathodische Leiter über verschiedene Autobahnen geführt werden können. Einspeisung und Entnahme elektrischer Energie erfolgen an Autobahnkreuzen oder –dreiecken, was keine Einschränkung bedeutet, da HGÜ-Leitungen immer nur eine Verbindungen zwischen zwei Umrichterstationen darstellen. Dies gilt auch für Deutschlands größte geplante Stromtrasse, den ‚SuedLink‘, der schon nach der jetzigen Planung vielfach in unmittelbarer Nähe der A7 verlaufen soll. Eine Leitungsführung auf dem Geländestreifen beiderseits der Autobahnen ist nur in Ausnahmefällen eine sinnvolle Alternativen, da dort keine einheitliche Geländestruktur vorhanden ist.

Insgesamt vergünstigt und vereinfacht die Nutzung der Bundesautobahnen die Realisierung des gesamten Projektes enorm. Eine Stromtrasse auf den Autobahnmittelstreifen erfordert keine Flächen, die nicht bereits im Bundesbesitz sind. Somit entfallen sämtliche nach der bisherigen Planung zu erwartenden Kosten. Widerstände von Seiten der Landbesitzer und der Bevölkerung sind nicht mehr zu befürchten, dem Bündelungsgebot wird in hohem Maße Rechnung getragen. Von überragender Bedeutung sind die Eigentumsverhältnisse der Bundesautobahnen auch hinsichtlich des Zusammenwirkens über Länderinstanzen hinweg. Das Risiko landespolitisch motivierter Konflikte wird deutlich reduziert.

Technische Details

Mastkonstruktion: Gittermasten üblicher Bauart haben auf der Autobahn keinen Platz. Stattdessen sind Rohrmasten zu verwenden, die, wie bei Windkraftanlagen, aus LKW-transportierbaren Einheiten zusammengeschraubt werden. Das unterste, mit dem Erdreich verbundene Rohrsegment hat keinen runden, sondern einen elliptischen Querschnitt. Das erhöht die Biegesteifigkeit in Leitungsrichtung und mindert im Falle einer Fahrzeugkollosion die Angriffsfläche für das anprallende Fahrzeug. Für beide Beanspruchungsfälle lässt sich die Steifigkeit der Konstruktion zusätzlich dadurch erhöhen, dass das unterste Rohrsegment teilweise mit Schwerbeton geringen Zementbindegehaltes aufgefüllt wird.

Isolation: Da keine Notwendigkeit besteht, mehrere Leitungen unterschiedlichen Potentials gegeneinander zu isolieren, sondern nur gegen Erde, werden keine Keramikisolatoren benötigt, die stark im Winde pendeln können. Stattdessen wird das oberste Rohrsegment durch einen innen liegenden Isolationskörper gegen die Mastspitze isoliert. Dieser Isolator besteht nicht aus spröder Keramik, sondern aus hochfestem Duromer, das seine Festigkeit silikatischen und damit silanisierbaren Füllstoffen verdankt. Dieser Isolator wird mit dem letzten Rohrsegment und der Mastspitze verschraubt und ist, da innen liegend, vollkommen gegen Nebel, Regen und Vereisung geschützt.

Stromkabel: Die elektrischen Leiter und ihr Tragseil können direkt mit der auf gleichem Potential liegenden Mastspitze verschraubt werden. Als Leiterwerkstoff kommt aus Gewichtsgründen nur Aluminium infrage. Die optimale Anordnung dieser Leiter um ein hochfestes Tragseil ist eine Sechseckkonfiguration aus 6 oder gar 18 Leitern, die ein mittiges Tragseil umgeben. Das Tragseil besteht aus nichtrostendem Stahldraht oder besser noch einem hochvergüteten Titanlegierungsdraht.

Abstandshalter: Da Tragseil, Leiter und Mastspitze auf gleichem Potential liegen, können sie untereinander mit metallischen Abstandshaltern verbunden werden, etwa Stanzteilen aus Aluminium-, NR-Stahl- oder besser Titanblech. Sie müssen in sehr kurzen Abständen aufgefädelt werden, weil die hohen Gleichströme dauerhaft ein starkes Magnetfeld erzeugen, welches ein enges Zusammenrücken der 6 (oder 18) Einzelleiter bewirkt und den kühlenden Luftzutritt behindern würde. Ein zusätzlich positiver Effekt entsteht dadurch, dass sich das Leiterbündel wie ein steifes Rohr verhält, welches wenig Neigung hat, im Luftstrom zu pendeln. Das wirkt sich günstig auf die Mindestmaße für Masthöhe und -abstände aus.

Trassenbau und –unterhaltung: Alle Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen können mit Spezialfahrzeugen ausgeführt werden, die nur die beiden am Autobahnmittelstreifen liegenden Fahrspuren benötigen. Da die Polaritäten von anodischer und kathodischer Leitung jederzeit umgeschaltet werden können, ergibt sich für den Stör- und Montagefall eine hohe Betriebsflexibilität.

Leitungsmontage: Das Leiterbündel mit seinen Abstandshaltern kann wegen seiner Steifigkeit nicht zu Transportzwecken auf Trommeln aufgewickelt werden. Jedoch lässt es sich in Teilen an den Montageort transportieren, dort zur benötigten Länge zusammensetzen und mit einer Hebebühne in den bereits einseitig mit einem Leiterbündel bestückten Mast einklinken. Das andere Leiterbündelende wird mit einem Seilzug auf den nächsten Mast gezogen und das Zugseil so lange gespannt gehalten, bis auch am nächsten Leitungsabschnitt das Folgeleitungsbündel eingehängt ist. Eine zusätzliche Biegebeanspruchung der Masten während der Montage wird so vermieden.

Leitungsschnellabschaltung: Im Havariefall lässt sich der betroffene Leitungsabschnitt binnen Sekundenbruchteilen abschalten. Dies gewährleistet die Sicherheit des darunter fließenden Autobahnverkehrs. Das Abschaltsignal löst in allen Masten gleichzeitig die Überbrückung des Isolators aus und schließt die Mastspitzen gegen Erde kurz. Damit wird die Zündung eines Lichtbogens im Hochspannungsschalter unterdrückt, der durch die hohe elektrische Spannung in Verbindung mit der Energiespeicherung des Magnetfeldes um das Leiterbündel entstünde. Diese Kurzschlusseinrichtung ist zugleich als Sicherungsmaßnahme während aller Arbeiten am Leitungssystem nutzbar.

Fundamentierung der Leitungsmasten: Statt kippsichere, aber großflächige Stahlbetonplatten zu verwenden (wie zur Fundamentierung von Hochspannungsfreileitungsmasten oder Masten von Windkraftanlagen), empfiehlt es sich, eine nur auf den Mittelstreifen beschränkte Pfahlgründung vorzunehmen, ähnlich wie bei Hochbauten auf sumpfigen Untergrund. Da im Regelfalle Autobahnmittelstreifen einen tragfähigen Untergrund aufweisen, lassen sich unterhalb des lockeren Oberbodens Stahlbetonpfähle in vorgebohrte Bodenlöcher einrammen. Der oberirdische Überstand wird in ausreichender Länge erhalten und unter Verwendung von Schwerbeton mit dem untersten elliptischen Rohrsegment so vergossen, dass eine biegesteife Verbindung des Mastes mit dem Untergrund entsteht. Im Innern des untersten Rohrsegments eingeschweißte Betonstahlanker geben zusätzliche Stabilität und machen sonstige, gegebenenfalls problematische, Verschraubungen in Bodennähe unnötig. Die Stahlbetonpfähle besitzen Stahlspitzen, die mit dem Bewehrungsstahl verschweißt sind und so die Erdung auch ohne zusätzliche Erdungsleitungen gewährleisten.


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Unternehmensinformation / Kurzprofil:

Dr. Wolfgang Hohmann ist emeritierter Professor für Ingenieurwissenschaften an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt und Aufsichtsratsvorsitzender der Dentona AG. Seit 40 Jahren betreibt er als geschäftsführender Gesellschafter die WT-Gesellschaft für technische Forschung und Entwicklung mbH.



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Tambacher Staße 18 A
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Telefon und Fax: 030 775 92 86
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Datum: 23.04.2014 - 14:58 Uhr
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Energiewirtschaft


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