IndustrieTreff - „Testen wird vorgeben, wie die Energieversorgung der Zukunft aussieht“: Interview mit dem Futuro

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„Testen wird vorgeben, wie die Energieversorgung der Zukunft aussieht“: Interview mit dem Futurologen Dr. Bernd Flessner und QS-Experten Thomas Roßner

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Möhrendorf, 27. Oktober 2014 – Wie entwickelt sich das Energiewesen in den kommenden Jahrzehnten? Und was bedeutet das für die Sicherung seiner Qualität? Im Rahmen der Initiative „green imbus“ haben sich Thomas Roßner, Unternehmens-Vorstand und Softwaretest-Experte, und Dr. Bernd Flessner, Wissenschaftsjournalist und Zukunftsforscher, zum Gespräch getroffen und festgestellt: QS und Energiewirtschaft werden sich enger verknüpfen als je zuvor.

(industrietreff) - imbus: Reden wir über die Zukunft der Energieversorgung. Aber von welcher Zukunft – der in ein paar Monaten, Jahren oder sogar Jahrzehnten?

Dr. Bernd Flessner: In der seriösen Zukunftsforschung gilt das Interesse dem sogenannten probabilistischen Raum. Wir öffnen einen Szenario-Trichter, der uns in allernächster Zukunft einen noch recht engen Spielraum an Ereignissen lässt. Je weiter man jedoch nach vorne blickt, desto breiter wird er und damit die Anzahl möglicher Szenarien. Entlang dieses Trichters deuten uns wissenschaftliche Prognosen quasi wie Leuchttürme in das Fahrwasser, wo etwas geschehen könnte. Anders als in der Branche mit den Kristallkugeln und dem Kaffeesatz hat die seriöse Futurologie jedoch nicht den Anspruch, Vorhersagen mit Eintreffens-Garantie abzugeben. Zum Teil gibt es Studien zu 2025. Aktuell befasst sich der Großteil der wissenschaftlichen Zukunftsstudien aber mit dem Ziel 2050, so auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie oder das Fraunhofer Institut. Diese Entfernung lässt es zu, Ziele in einer großen Szenario-Breite zu analysieren – ohne jedoch definieren zu müssen, wie man dort hingelangt. 2015 wäre als Ziel gar keine Zukunft mehr, sondern Gegenwart. In dem Fall müssten schon Wildcards eintreten, sprich unerwartete Ereignisse, damit sich bis dahin etwas anders entwickelt.

Thomas Roßner: Für die Maßstäbe im Softwaretest-Sektor ist 2050 eine riesige Zeitspanne. Vor 35 Jahren, 1980, war Testen fast noch keine eigene Disziplin in der IT. Es gab noch keine Fachbücher und die Aufgabenstellungen steckten noch in den Kinderschuhen. Wenn die Entwicklung auch in Zukunft so weitergeht, werden wir mehrfache Strukturbrüche erleben.

Dr. Flessner: Wir verzeichnen insgesamt eine Beschleunigung – nicht nur in der Technologie, auch in Wissenschaft und Gesellschaft. Man muss 50 Jahre zurückblicken, um heute rund 35 Jahre in die Zukunft, also bis 2050, sehen zu können. Durchbrüche haben wir schon erlebt. Die Folge war oft eine Näheverzerrung, das bedeutet man erwartete nach dem jeweiligen Durchbruch den nächsten umso schneller. Umgekehrt ist aber auch eine gesunde Skepsis geboten, wenn involvierte Experten Unmöglichkeitsprognosen stellen.





Roßner: So wie die der Tester, der zufolge Testen nie überflüssig werde, da keine fehlerfreie Software entwickelt werden kann?

Dr. Flessner: Entwarnung für alle Ihre Kollegen (kleines Augenzwinkern). Perfekte Systeme kann es nicht geben. Nur durch nicht perfekte Systeme existiert überhaupt Evolution. Und die Systeme optimieren sich nicht von selbst.

imbus: Wie wird sich der weltweite Energiebedarf von Industrie und Privathaushalten entwickeln?

Dr. Flessner: Einer Studie des Fraunhofer Instituts zufolge erreichen wir bis 2050 eine deutliche Reduktion des Bedarfs mit Hilfe von Energie-Effizienz. Zugleich wird aber auch der Energiebedarf insgesamt ansteigen, da beispielsweise Robotik in die Privathaushalte Einzug hält. Unterm Strich bedeutet das: Das Plus an technischen Geräten kompensiert genau das, was wir durch den technischen Fortschritt einsparen – und bleiben dadurch in etwa wieder auf unserem heutigen Level.

imbus: Aus welchen Ressourcen beziehen wir in Zukunft die Energie?

Dr. Flessner: Es findet eine Energiewende weltweit statt und das unabhängig von politischen Parteien. Die Energiewende hat vielmehr ökonomische Gründe. Fossile Energieträger sind zu teuer. Außerdem werden sie an anderer Stelle gebraucht, wie z.B. in der Petrochemie, deren Rohstoff derzeit noch im wahrsten Sinne des Wortes verheizt wird. Kohle als Energiequelle würde noch für 300 Jahre reichen. Doch der Bergbau wird zunehmend kostenintensiver, da man zum Abbau immer tiefer in die Berge gehen muss. Regenerative Energien, Biomasse eingeschlossen, bleiben dagegen kostengünstig, wenn die entsprechenden Anlagen einmal installiert sind. Die Bundesregierung hat das prüfen lassen: Bis 2050 müsste es mühelos möglich sein, 80 Prozent der Energie aus regenerativen Quellen zu beziehen. Das Fraunhofer Institut geht sogar von 100 Prozent aus. Der Standortvorteil für Deutschland dürfte enorm sein, wenn hier die entsprechenden Technologien beherrscht werden. Weltweit wären für die Energiewende 22 Billionen Euro zu investieren. Aber wenn man gegenrechnet, könnte man durch die Abkehr von den nicht-regenerativen Quellen letztlich 52 Billionen Euro einsparen. Kernenergie hat übrigens keine Zukunft. Bleibt die Anzahl an Reaktoren unverändert, reicht das Uran noch für 25 Jahre. Eine Wildcard in diesem ganzen Zusammenhang wäre die Kernfusion, dann hätten wir Energie im Übermaß. Aber ob diese auch bezahlbar wäre?

imbus: Welche heute noch nicht so geläufigen regenerativen Energiequellen sind außerdem wahrscheinlich?

Dr. Flessner: Energy Harvesting nennt sich ein Ansatz, bei dem auch bisher ungenutzte Energiepotentiale mit herangezogen werden, wie z.B. gereinigtes Sperrholz als Brennstoff. Ein weiterer Trend kommt aus der Nanotechnologie. An der TU-München hat man künstliche Nanopartikel entwickelt, die Photosynthese für die Gewinnung von Stärke oder Energie betreiben können. Die Partikel könnten eines Tages in die Außenwandfarbe von Häusern integriert werden und so die Aufgabe der heutigen Photovoltaik-Anlagen ablösen. Ihre Software besitzt die Fähigkeit zur Selbstregulation, passt sich beispielsweise den Wetterzyklen an und ähnelt insofern schon sehr lebendigen Zellen.

Roßner: Nanotechnologie stellt für die Softwarequalitätssicherung völliges Neuland dar. Zu Anfang galt es, einzelne Systeme zu testen. Durch die Einführung von Multiprozessoren wurde die Aufgabe komplexer. Die Nanotechnologie potenziert diese Komplexität natürlich um ein Vielfaches. Eine spannende Aufgabe für Tester.

imbus: Wo wird die Energie der Zukunft gewonnen?

Roßner: Es gibt eine große Motivation für Bürger, Energie in hauseigenen Anlagen zu produzieren bzw. sich zu diesem Zweck in Genossenschaften zu organisieren und Speicherverbundsysteme in der Nachbarschaft zu errichten. Dieses Autonomieinteresse teilen auch viele Unternehmen. Dafür ist imbus und das in diesem Jahr neu installierte Photovoltaik-System auf dem Hauptgebäude am Standort Möhrendorf bestes Beispiel. Die Vorteile liegen auf der Hand: Man wird unabhängig vom großen Versorgungsnetz und natürlich den Strompreisen.

Dr. Flessner: Bereits heute stammt 43% der Ökoenergie in Deutschland aus bürger- oder unternehmenseigenen Anlagen. Was das für die großen Energieanbieter bedeutet? Sie bauen riesige Offshore-Energieparks, mit denen sie wettbewerbsfähig sein müssen. Gleichzeitig wird für die großen Energieanbieter der Vertrieb privater Anlagen zum immer bedeutenderen Standbein und sie schlüpfen in die Rolle des Beraters für Privaterzeuger.

Roßner: Die QS-Spezialisten sehen sich hier zwei völlig unterschiedlichen Anforderungen gegenüber: einerseits Großanlagen, die über eine extrem hohe Komplexität verfügen; andererseits Konsumentensoftware, die man sicher zuhause bedienen können muss. Diese gilt es, auf Bedienbarkeit und Nutzerfreundlichkeit zu testen. Wer Privaterzeuger ist, sollte auch die Möglichkeit haben, seine Anlage mit eigenen Algorithmen zu programmieren. In den Anlagen müssen vor Ort regelmäßige Systemintegrationstests durchgeführt werden, entweder von den Eigentümern selbst oder einem Test-Spezialisten.

Dr. Flessner: Darum könnte mobiles Testen kommen – mobil im Sinne von mobilen Testern, die wie z.B. der Schornsteinfeger turnusmäßig die Haushalte besuchen und einen Anlagen-Check durchführen.

imbus: Wie intelligent wird das Energieversorgungsnetz?

Dr. Flessner: Um Energie zu sparen, brauchen wir intelligente Netze mit entsprechender Steuerung. Das liegt sowohl im Interesse der Stromanbieter als auch der Haushalte. Es muss abgesprochen werden, wer zu welchem Zeitpunkt wo aktiv ist und wann man die Aggregate in Spitze laufen lässt. Statt einer Amplitude bekommen wir eine relativ ausgeglichene Kurve im Netz. Das funktioniert aber nur mit einem akkurat gehenden System.

Roßner: Die Struktur ist vergleichbar mit dem heutigen Mobilfunknetz. Solche Systeme sind nie 100% deterministisch. Für den Softwaretest stellt das eine große Herausforderung dar. Nur Experten sind in der Lage zu bestimmen, ob das System richtig läuft. Eine Ungewissheit bleibt immer, ob es sich z.B. lohnt, ein Kraftwerk zuzuschalten. Es lässt sich nur noch sagen, ob das Netz im Entscheidungsraum liegt.

Dr. Flessner: Wir leben im Computer, unser Zuhause wird zum Smarthome. Das Outernet, das Internet of Things, zeichnet sich durch enorme Konnektivität aus. Die einzelnen Segmente sind nicht mehr trennbar. Dementsprechend komplex wird das Testen.

imbus: Und die Testing-Branche ist gewappnet?

Roßner: Es reicht nicht mehr nur methodisches Wissen zu besitzen, wie etwa den ISTQB® Certified Tester. Im Energiesektor wird das Domänenwissen zunehmend anspruchsvoller, z.B. in den Bereichen Hydraulik, Solarthermik oder Geophysik. Ein Testverantwortlicher muss Kenntnisse aus allen Bereichen mitbringen. Testen findet interdisziplinär statt.

Dr. Flessner: In der Zukunftsforschung gibt es 21 sogenannte Megatrends. Einer davon ist eben diese Konvergenz von Technologien. Die QS-Branche spürt das noch stärker als viele andere.

imbus: Ist Sicherheit durch Tests im regenerativen Energiesektor genauso wichtig wie im nicht-regenerativen?

Roßner: Man testet immer risikobasiert. Frühere Energieanlagen hatten als Betriebsrisiko technische Störungen mit der maximalen Gefahr, in die Luft zu gehen. Darum wurden sie in Richtung Safety getestet. Gerade für regenerative Anlagen gelten andere Risiken – die man jedoch auch keinesfalls unterschätzen darf. Überall im Versorgungsnetz findet Datenaustausch statt. Die Sicherheit der Daten ist darum immer gefährdeter. Die Tests müssen dementsprechend zusätzlich in Richtung Security gehen.

Dr. Flessner: Bei manchen Systemen ist bereits heute dieser Aspekt der nicht beherrschbaren Datensicherheit der Grund, warum sie nicht eingesetzt werden.

Roßner: Ein weiterer wichtiger Risikofaktor ergibt sich aus den vielen Software-basierten Komponenten im Outernet. Denn sie alle sind potenzielle Fehlerquellen. Außerdem steigt durch sie die Energiedichte. Das System muss exakt funktionieren, bereits kleinste Verzögerungen können z.B. sofort die Produktion in angeschlossenen Fabriken stören. Bei einem Totalausfall im System sind die Folgen noch krasser, wenn etwa die Stromversorgung von Krankenhäusern zum Erliegen kommt. Und denken wir noch einen Schritt weiter: Durch die enge Vernetzung entsteht eine Risikofortpflanzung. Das ebnet den Weg für Fehlerepidemien, auch global.

imbus: Wird es QS-Standards für die Software regenerativer Energieversorgung geben?

Roßner: Testen schafft Vertrauen, dass Systeme funktionieren. Erreichen sie eine bestimmte Kritikalität, werden Standards entwickelt. Bei der Energieversorgung im Outernet ist diese Voraussetzung sicherlich gegeben.

Dr. Flessner: Definitiv wird Software gleich so entwickelt, dass sie testbar ist. Testen wird vorgeben, wie die Energieversorgung der Zukunft aussieht.


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