IndustrieTreff - Wisente waren keine Waldbewohner - Heutige Schutzkonzepte müssen überarbeitet werden

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Wisente waren keine Waldbewohner - Heutige Schutzkonzepte müssen überarbeitet werden

ID: 1172415

sente waren keine Waldbewohner - Heutige Schutzkonzepte müssen überarbeitet werden



Etwa 3000 freilebende Wisente gibt es derzeit in Europa. Seit 2013 lebt eine kleine Herde der dunkelbraunen Kolosse auch wieder in Deutschland.

"Für das Wisent wäre es beinah knapp geworden", erzählt Prof. Dr. Hervé Bocherens vom Senckenberg Center for Human Evolution and Paleoenvironment (HEP) und dem Fachbereich Geowissenschaften der Universität Tübingen und ergänzt: "In Deutschland wurde 1775 der letzte freilebende Wisent geschossen. 1927 kam im Kaukasus der letzte wilde Wisent Europas durch eine Gewehrkugel ums Leben." Damit waren beide Unterarten in ihrem ursprünglichen Lebensraum ausgerottet: der Flachlandwisent und der Bergwisent.

Nur Wiederansiedlungsprogramme mit Tieren aus Zoos, Tier- und Nationalparks haben die europäischen Wisente vor dem Verschwinden gerettet. Die heute veröffentlichte Studie unter Federführung des Tübinger Wissenschaftlers zeigt aber, dass die Schutzkonzepte für Wisente überarbeitet werden müssen: "Wir haben die Ernährungs- und Lebensgewohnheiten dieses größten europäischen Säugetiers anhand von etwa 12.000 bis 10.000 Jahre alten Wisentknochen aus Norddeutschland, Dänemark und Südschweden untersucht", erklärt Bocherens und fügt hinzu: "Die Kernfrage, die wir uns dabei gestellt haben: Sind Wälder der bevorzugte und geeignete Lebensraum für die europäischen Wisente?".

Bisher ging man davon aus, dass europäische Wisente - anders als ihre steppenbewohnenden Verwandten in Nordamerika - sich überwiegend in Wäldern wohl fühlen. Anhand von Isotopenuntersuchungen an den uralten Knochen der Großsäuger konnten Bocherens und sein Kollege Prof. Dr. Rafal Kowalczyk vom "Mammal Research Institute" im polnischen Bialowieza belegen, dass Wisente "Gemischtesser" waren. "Das Verhältnis der Kohlenstoff- und Stickstoffisotope in den Knochen zeigt uns, dass auf dem Speiseplan der Wisente im frühen Holozän sowohl Blätter als auch Gras und Flechten standen. Sie hielten sich demnach keineswegs nur in Wäldern auf", erläutert Bocherens.
Dank dieser flexiblen Ernährung standen die Wisente mit den stärker spezialisierten Auerochsen und Elchen nicht in Konkurrenz und konnten auch harte Winter überstehen.

Als die offenen Landschaften - bedingt durch Klimawandel, wachsende Waldflächen und zunehmende landwirtschaftliche Aktivität des Menschen - schrumpften, wurde der Wisent in die Wälder zurückgedrängt. Bocherens ergänzt: "Dort nahm die Population der Wisente so stark ab, dass die Tiere fast vollständig ausstarben."

Heute überleben die wilden Wisente in Europa im Winter nur durch menschliche Hilfe. Der Wald bietet den stattlichen Tieren in der kalten Jahreszeit nicht ausreichend Nahrung. "Bessere Chancen hätten die stark bedrohten Wisente, wenn sie - wie in der Vergangenheit - offene Landschaften bewohnen könnten und damit auch ein breiteres Nahrungsangebot hätten", meint der Tübinger Biogeologe und resümiert: "Die Schutzkonzepte für Wisente müssen daher grundlegend überarbeitet werden."


Kontakt

Prof. Dr. Hervé Bocherens
Universität Tübingen
Senckenberg Center for Human Evolution and Paleoenvironment
Tel.07071- 29-76988
herve.bocherens@uni-tuebingen.de

Prof. Dr. Rafal Kowalczyk
Mammal Research Institute
Polish Academy of Sciences
Tel. +48 600 914 516
rkowal@ibs.bialowieza.pl

Judith Jördens
Pressestelle
Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
Tel. 069- 7542 1434
pressestelle@senckenberg.de

Publikation
Bocherens, H., Hofman-Kaminska, E., Drucker, D.G., Schmölcke, U., Kowalczyk, R., 2014. European bison as a refugee species? Evidence from isotopic data on Early Holocene bison and other large herbivores in northern Europe. PLOS ONE

Die Natur mit ihrer unendlichen Vielfalt an Lebensformen zu erforschen und zu verstehen, um sie als Lebensgrundlage für zukünftige Generationen erhalten undnachhaltig nutzen zu können - dafür arbeitet die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung seit nunmehr fast 200 Jahren. Diese integrative "Geobiodiversitätsforschung" sowie die Vermittlung von Forschung und Wissenschaft sind die Aufgaben Senckenbergs. Drei Naturmuseen in Frankfurt, Görlitz und Dresden zeigen die Vielfalt des Lebens und die Entwicklung der Erde über Jahrmillionen. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Das Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt am Main wird von der Stadt Frankfurt am Main sowie vielen weiteren Partnern gefördert. Mehr Informationen unter www.senckenberg.de.

Innovativ. Interdisziplinär. International. Seit 1477. Die Universität Tübingen verbindet diese Leitprinzipien in ihrer Forschung und Lehre, und das seit ihrer Gründung. Sie zählt zu den ältesten und renommiertesten Universitäten Deutschlands. Im Exzellenzwettbewerb des Bundes und der Länder konnte sie sich mit einer Graduiertenschule, einem Exzellenzcluster sowie ihrem Zukunftskonzept durchsetzen und gehört heute zu den elf deutschen Universitäten, die als exzellent ausgezeichnet wurden. Darüber hinaus sind derzeit sechs Sonderforschungsbereiche, fünf Sonderforschungsbereiche Transregio und sechs Graduiertenkollegs an der Universität Tübingen angesiedelt. Besondere Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Integrative Neurowissenschaften, Medizinische Bildgebung, Translationale Immunologie und Krebsforschung, Mikrobiologie und Infek-tionsforschung, Biochemie und Arzneimittelforschung, Molekularbiologie der Pflanzen, Geo- und Umweltforschung, Astro- und Elementarteilchenphysik, Quantenphysik und Nanotechnologie, Archä-ologie und Urgeschichte, Geschichtswissenschaft, Religion und Kulturen, Sprache und Kognition, Medien- und Bildungsforschung. Die Exzellenz in der Forschung bietet den aus aller Welt kommenden Studierenden der Universität Tübingen optimale Bedingungen für ihr Studium. Rund 28.500 Studierende sind aktuell an der Uni-versität Tübingen eingeschrieben. Ihnen steht ein breites Angebot von mehr als 280 Studiengängen und Fächern zur Verfügung, das ihnen Tübingen als Volluniversität bietet. Dabei ist das forschungs-orientierte Lernen dank einer sehr engen Verflechtung von Forschung und Lehre eine besondere Tübinger Stärke. www.uni-tuebingen.de

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Etwa 3000 freilebende Wisente gibt es derzeit in Europa. Seit 2013 lebt eine kleine Herde der dunkelbraunen Kolosse auch wieder in Deutschland.

"Für das Wisent wäre es beinah knapp geworden", erzählt Prof. Dr. Hervé Bocherens vom Senckenberg Center for Human Evolution and Paleoenvironment (HEP) und dem Fachbereich Geowissenschaften der Universität Tübingen und ergänzt: "In Deutschland wurde 1775 der letzte freilebende Wisent geschossen. 1927 kam im Kaukasus der letzte wilde Wisent Europas durch eine Gewehrkugel ums Leben." Damit waren beide Unterarten in ihrem ursprünglichen Lebensraum ausgerottet: der Flachlandwisent und der Bergwisent.

Nur Wiederansiedlungsprogramme mit Tieren aus Zoos, Tier- und Nationalparks haben die europäischen Wisente vor dem Verschwinden gerettet. Die heute veröffentlichte Studie unter Federführung des Tübinger Wissenschaftlers zeigt aber, dass die Schutzkonzepte für Wisente überarbeitet werden müssen: "Wir haben die Ernährungs- und Lebensgewohnheiten dieses größten europäischen Säugetiers anhand von etwa 12.000 bis 10.000 Jahre alten Wisentknochen aus Norddeutschland, Dänemark und Südschweden untersucht", erklärt Bocherens und fügt hinzu: "Die Kernfrage, die wir uns dabei gestellt haben: Sind Wälder der bevorzugte und geeignete Lebensraum für die europäischen Wisente?".

Bisher ging man davon aus, dass europäische Wisente - anders als ihre steppenbewohnenden Verwandten in Nordamerika - sich überwiegend in Wäldern wohl fühlen. Anhand von Isotopenuntersuchungen an den uralten Knochen der Großsäuger konnten Bocherens und sein Kollege Prof. Dr. Rafal Kowalczyk vom "Mammal Research Institute" im polnischen Bialowieza belegen, dass Wisente "Gemischtesser" waren. "Das Verhältnis der Kohlenstoff- und Stickstoffisotope in den Knochen zeigt uns, dass auf dem Speiseplan der Wisente im frühen Holozän sowohl Blätter als auch Gras und Flechten standen. Sie hielten sich demnach keineswegs nur in Wäldern auf", erläutert Bocherens.




Dank dieser flexiblen Ernährung standen die Wisente mit den stärker spezialisierten Auerochsen und Elchen nicht in Konkurrenz und konnten auch harte Winter überstehen.

Als die offenen Landschaften - bedingt durch Klimawandel, wachsende Waldflächen und zunehmende landwirtschaftliche Aktivität des Menschen - schrumpften, wurde der Wisent in die Wälder zurückgedrängt. Bocherens ergänzt: "Dort nahm die Population der Wisente so stark ab, dass die Tiere fast vollständig ausstarben."

Heute überleben die wilden Wisente in Europa im Winter nur durch menschliche Hilfe. Der Wald bietet den stattlichen Tieren in der kalten Jahreszeit nicht ausreichend Nahrung. "Bessere Chancen hätten die stark bedrohten Wisente, wenn sie - wie in der Vergangenheit - offene Landschaften bewohnen könnten und damit auch ein breiteres Nahrungsangebot hätten", meint der Tübinger Biogeologe und resümiert: "Die Schutzkonzepte für Wisente müssen daher grundlegend überarbeitet werden."


Kontakt

Prof. Dr. Hervé Bocherens
Universität Tübingen
Senckenberg Center for Human Evolution and Paleoenvironment
Tel.07071- 29-76988
herve.bocherens(at)uni-tuebingen.de

Prof. Dr. Rafal Kowalczyk
Mammal Research Institute
Polish Academy of Sciences
Tel. +48 600 914 516
rkowal(at)ibs.bialowieza.pl

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Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
Tel. 069- 7542 1434
pressestelle(at)senckenberg.de

Publikation
Bocherens, H., Hofman-Kaminska, E., Drucker, D.G., Schmölcke, U., Kowalczyk, R., 2014. European bison as a refugee species? Evidence from isotopic data on Early Holocene bison and other large herbivores in northern Europe. PLOS ONE

Die Natur mit ihrer unendlichen Vielfalt an Lebensformen zu erforschen und zu verstehen, um sie als Lebensgrundlage für zukünftige Generationen erhalten undnachhaltig nutzen zu können - dafür arbeitet die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung seit nunmehr fast 200 Jahren. Diese integrative "Geobiodiversitätsforschung" sowie die Vermittlung von Forschung und Wissenschaft sind die Aufgaben Senckenbergs. Drei Naturmuseen in Frankfurt, Görlitz und Dresden zeigen die Vielfalt des Lebens und die Entwicklung der Erde über Jahrmillionen. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Das Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt am Main wird von der Stadt Frankfurt am Main sowie vielen weiteren Partnern gefördert. Mehr Informationen unter www.senckenberg.de.

Innovativ. Interdisziplinär. International. Seit 1477. Die Universität Tübingen verbindet diese Leitprinzipien in ihrer Forschung und Lehre, und das seit ihrer Gründung. Sie zählt zu den ältesten und renommiertesten Universitäten Deutschlands. Im Exzellenzwettbewerb des Bundes und der Länder konnte sie sich mit einer Graduiertenschule, einem Exzellenzcluster sowie ihrem Zukunftskonzept durchsetzen und gehört heute zu den elf deutschen Universitäten, die als exzellent ausgezeichnet wurden. Darüber hinaus sind derzeit sechs Sonderforschungsbereiche, fünf Sonderforschungsbereiche Transregio und sechs Graduiertenkollegs an der Universität Tübingen angesiedelt. Besondere Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Integrative Neurowissenschaften, Medizinische Bildgebung, Translationale Immunologie und Krebsforschung, Mikrobiologie und Infek-tionsforschung, Biochemie und Arzneimittelforschung, Molekularbiologie der Pflanzen, Geo- und Umweltforschung, Astro- und Elementarteilchenphysik, Quantenphysik und Nanotechnologie, Archä-ologie und Urgeschichte, Geschichtswissenschaft, Religion und Kulturen, Sprache und Kognition, Medien- und Bildungsforschung. Die Exzellenz in der Forschung bietet den aus aller Welt kommenden Studierenden der Universität Tübingen optimale Bedingungen für ihr Studium. Rund 28.500 Studierende sind aktuell an der Uni-versität Tübingen eingeschrieben. Ihnen steht ein breites Angebot von mehr als 280 Studiengängen und Fächern zur Verfügung, das ihnen Tübingen als Volluniversität bietet. Dabei ist das forschungs-orientierte Lernen dank einer sehr engen Verflechtung von Forschung und Lehre eine besondere Tübinger Stärke. www.uni-tuebingen.de


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Datum: 12.02.2015 - 11:15 Uhr
Sprache: Deutsch
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