Grippe-Impfung - Auf dem Weg zum universalen Impfstoff
(ots) - Eine einzige Impfung, die breiten Grippe-Schutz 
für viele Jahre oder sogar für immer bietet: An der Vision, dieses 
Ziel zu erreichen, arbeiten derzeit mehrere Forscherteams. Über den 
Stand der Forschung zu einem Grippe-Impfstoff, der mehrere Jahre lang
wirkt, und über die Erfolgsaussichten haben wir mit einem führenden 
Impfstoff-Forscher gesprochen: Prof. Dr. Carlos A. Guzmán leitet die 
Abteilung Vakzinologie und Angewandte Mikrobiologie am 
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig.
   Herr Professor Guzmán, die Impfung gegen Grippe muss aktuell jedes
Jahr aufs Neue erfolgen. Seit einiger Zeit jedoch arbeiten Forscher 
auf der ganzen Welt an einem Universal-Impfstoff gegen Influenza, der
viele Jahre lang wirken könnte. Wie lange wird es Ihrer Meinung nach 
noch dauern, bis ein solcher mehrjährig wirksamer Impfstoff auf den 
Markt kommt?
   Professor Dr. Carlos A. Guzmán: Um es klar zu sagen: Das ist heute
noch ein Traum. Es gibt bislang keinen Influenza-Impfstoff, der für 
immer universell schützt. Das liegt daran, dass sich die 
Influenza-Viren von Saison zu Saison verändern.
   Dennoch oder vielleicht gerade deswegen gibt es 
Forschungsgruppen...
   Prof. Guzmán: ...die an einem Impfstoff arbeiten, der vielleicht 
nicht absolut universal, aber doch deutlich breiter wirkt - der also 
Schutz gegen verschiedene Influenzaviren bietet, die eng verwandt 
sind. Das ultimative Ziel ist ein Impfstoff, der gegen alle 
Influenzaviren wirkt - so lange wie möglich. Aber das ist alles 
andere als trivial.
   Welche Strategien gibt es bei der Suche nach einem solchen 
Impfstoff?
   Prof. Guzmán: Eine grundlegende Strategie setzt beim Hämagglutinin
an, einem Protein auf der Virusoberfläche. Die gängigen 
Influenza-Impfstoffe stimulieren die Produktion von neutralisierenden
Antikörpern, die einen bestimmten Teil des Hämagglutinins angreifen, 
nämlich den Kopf. Dieser Kopfbereich aber kann sich von Jahr zu Jahr 
verändern. Das Hämagglutinin hat aber daneben auch noch eine Art 
Stiel, der nicht diesen Veränderungen unterliegt und bei allen 
Grippeviren ähnlich aussieht. Eine Forschergruppe um Antonietta 
Impagliazzo arbeitet in Kooperation mit der Firma Janssen nun daran, 
ein modifiziertes Hämagglutinin zu entwickeln, das die Produktion von
Antikörpern stimuliert, die gegen diesen konservierten Teil gerichtet
sind. Das könnte die Basis für einen universellen Grippe-Impfstoff 
sein - oder zumindest für einen vielfältiger wirksamen.
   Welche weiteren Forschungsansätze gibt es?
   Prof. Guzmán: Interessant finde ich auch einen Ansatz von 
Forschern der Universität Georgia. Sie arbeiten mit Algorithmen, die 
bei der Vorhersage helfen, wie ein synthetisch hergestelltes 
Hämagglutinin als potenzieller Impfstoff gegen möglichst viele Viren 
aussehen könnte.
   Aber wie stellt man einen solchen universal wirksamen Impfstoff 
her?
   Prof. Guzmán: Grundlage sind die Strukturen von Hämagglutinin aus 
den bisher isolierten Influenzaviren. Aus diesen wird am Ende ein 
Impfstoff, der chimärische synthetische Hämagglutinin-Varianten 
enthält und somit verschiedene Subtypen angreift, die mit Hilfe der 
Algorithmen vorhergesagt wurden. Mit diesem Ansatz lässt sich ein 
breiter wirksamer Impfstoff entwickeln - und auch einer, der gegen 
pandemische Influenza wirkt. Diese Forschungsarbeit, an der auch 
Sanofi-Pasteur beteiligt ist, trägt den Namen COBRA - für 
computationally optimized broadly reactive antigen.
   Andere Impfstrategien beschäftigen sich nicht mit Antikörpern 
gegen das Hämagglutinin, sondern mit der zellulären Immunantwort.
   Prof. Guzmán: Richtig. Man hat in verschiedenen experimentellen 
Modellen herausgefunden, dass auch so genannte Killerzellen vor 
Influenzaviren schützen können. Bestimmte Komponenten, wie etwa das 
Nukleoprotein, könnten dabei helfen, eine zelluläre Immunantwort 
hervorzurufen, die einen Kreuzschutz gegen verschiedene 
Influenzaviren bietet.
   Es gibt also zwei Hauptstrategien: Neutralisierende Antikörper 
gegen das Hämagglutinin im Bereich Kopf und Stiel sowie zelluläre 
Immunantworten.
   Prof. Guzmán: Daneben gibt es noch wissenschaftliche 
Arbeitsgruppen, die eine gemischte Strategie verfolgen - hier wird 
eine zelluläre Immunantwort kombiniert mit Antikörpern, die 
verschiedene Influenzaviren neutralisieren.
   Das klingt doch alles sehr vielversprechend. Also stehen uns 
vielleicht doch bald revolutionäre Veränderungen bei der 
Grippe-Impfung bevor?
   Prof. Guzmán: Für eine Zulassung durch die Regulierungsbehörden 
muss der neue Impfstoff besser - oder mindestens genauso gut - sein 
wie ein konventioneller Impfstoff. Es gibt vielversprechende Ansätze,
deren Wirksamkeit im Tiermodell schon belegt wurde. Diesen Nachweis 
auch beim Menschen zu erbringen ist jedoch sehr aufwändig und teuer.
   Wie lange wird es nach Ihre Einschätzung noch dauern, bis ein 
vielfältiger und mehrjährig wirksamer Grippe-Impfstoff auf den Markt 
kommen könnte?
   Prof. Guzmán: Ich denke, frühestens in zehn Jahren - wenn alles 
klappt. Aber um ehrlich zu sein: Ich halte einen universellen 
Influenza-Impfstoff, der gegen alle Serotypen von Influenzaviren 
wirkt, für schwer realisierbar. Wesentlich realistischer ist dagegen 
das Szenario für einen Pandemie-Impfstoff.
   Inwiefern?
   Prof. Guzmán: Die genannten Strategien könnten dazu dienen, im 
Vorfeld "stocks", also Vorräte von Impfstoffen gegen verschiedene 
Pandemiestämme anzulegen. Außerdem dauert es bisher sechs bis acht 
Monate, bis nach der jährlichen WHO-Empfehlung der nächste saisonale 
Grippe-Impfstoff auf den Markt kommt. Mittlerweile arbeiten 
Forscherteams daran, einen solchen Impfstoff in kürzester Zeit 
vorzubereiten. Diese Forschungen befinden sich jedoch noch in der 
experimentellen Phase. Aber es könnte sein, dass schon bald von der 
Information über die Virusstämme bis zur Herstellung eines 
Impfstoff-Kandidaten nur noch einige Wochen vergehen. Dazu werden 
ganz neue RNA-Technologien eingesetzt. Besonders interessant ist das 
im Hinblick auf eine Pandemie. Wenn schon wenige Wochen nach dem 
Ausbruch einer Grippe-Pandemie ein Impfstoff-Kandidat für die 
Produktion verfügbar wäre, ließe sich das Infektionsrisiko für die 
Bevölkerung minimieren.
   Zur Person:
   Prof. Dr. Carlos Alberto Guzmán ist Leiter der Abteilung 
Vakzinologie und Angewandte Mikrobiologie am Helmholtz-Zentrum für 
Infektionsforschung in Braunschweig. Er arbeitet seit 1989 auf dem 
Gebiet der Vakzinologie und war wesentlich an der Entwicklung neuer 
Adjuvantien beteiligt. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehört die 
Suche nach Transportsystemen für DNA-Impfungen und therapeutische 
Moleküle. Neben seiner Forschungsarbeit ist er auch als APL-Professor
an der Medizinischen Hochschule Hannover tätig.
Pressekontakt:
Winfried Rauscheder
Redaktion Pharma Fakten
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E-Mail: redaktion(at)pharma-fakten.de
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Tel.: +49 89 1250 153 66
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Datum: 23.01.2017 - 11:22 Uhr
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