Das Stromnetz der Zukunft ist intelligent

(PresseBox) - Für die Energiewende sind smarte Stromnetze, in denen Verbraucher und Erzeuger miteinander kommunizieren können, unabdingbar. Im Rahmen eines Innosuisse-Projektes forscht die Fachhochschule Wallis mit ihrem Industriepartner Wago daran, wie sich diese Anforderungen steuerungstechnisch am besten realisieren lassen.
Photovoltaik- und Windkraftanlagen liefern sauberen Strom. Für die Umwelt und das Klima ist das sehr gut. Weniger Freude an diesem nachhaltigen Ansatz haben die Elektrizitätswerke. Weil der Strom nicht wie bisher nur in eine Richtung fliesst, nämlich vom Erzeuger zum Verbraucher, müssen diese nun einen deutlich grösseren Aufwand betreiben, um ihre Versorgungsnetze zu stabilisieren. Und dieser erhöht sich mit jeder zusätzlich installierten Photovoltaik-Anlage, die ans Netz geht.
Ursachen für Netzbelastung
Doch wie lassen sich die Verteilnetze entlasten? Die beste Möglichkeit wäre es, die überschüssige Energie zu speichern, beispielsweise in Pumpspeicherkraftwerken. Bei grosser Nachfrage öffnen deren Betreiber einfach die Fallrohre und das Wasser treibt die tiefergelegenen Generatoren an. Im umgekehrten Falle nutzen diese den nicht benötigten Strom und füllen damit ihre Speicherbecken wieder auf. Ein etabliertes Verfahren, das seit Jahrzehnten weltweit erfolgreich zum Einsatz kommt.
Das Problem: Dieser Ansatz destabilisiert die Verteilnetze ebenfalls! Schliesslich muss der Sonnenstrom dafür zunächst einmal von den Hausdächern durchs Ortsnetz hin zu den Speichern geleitet werden. Diese Herausforderung, dass der Strom plötzlich in die entgegengesetzte Richtung fliesst, haben aber auch andere Speicherverfahren. Daher sind grosse Batteriespeicher oder Power-to-X-Verfahren ebenfalls nur bedingt für eine erfolgreiche Netzstabilisierung geeignet.
Möglichkeiten der Netzentlastung
Welche Möglichkeiten gibt es, den überschüssigen Solarstrom effizient im Netz zu managen? Eine Möglichkeit ist dessen konsequenter Ausbau. Dieser ist aber sehr kostspielig und löst das Problem nur kurzfristig, da sich die Menge des aus PV-Anlagen erzeugten Stroms mittelfristig um Faktor zehn erhöhen wird. Schon heute führt der Zuwachs an PV-Anlagen dazu, dass in manchen Regionen bis zu 30 Prozent der Anschlussgesuche erst gar nicht mehr genehmigt werden – Tendenz weiter steigend. Kurioserweise stehen diese nicht genehmigten Anschlüsse in einem krassen Gegensatz zur aktuellen politischen Debatte, die den weiteren PV-Ausbau fordert und fördert.
Eine Alternative, um die Netzinfrastruktur zukunftsfähig zu machen, ist deren Optimierung und Verstärkung. Um die vorhandenen Übertragungskapazitäten besser zu nutzen, können die Leiterseile durch solche mit grösserem Querschnitt und einer höheren Temperaturbeständigkeit ausgetauscht werden. Ausserdem ist der Einsatz von FACTS (Flexible AC Transmission Systems) und Phasenschiebergeneratoren zur Blindleistungskompensation denkbar.
Ein weiterer Ansatz zur Netzstabilisierung ist die Eigenverbrauchsoptimierung. Wird der Strom an Ort und Stelle flexibel genutzt, also dann, wenn er erzeugt wird, muss er erst gar nicht zu Pumpspeicherbecken, Batterien oder Ähnlichem geleitet werden. Die Eigenverbrauchsoptimierung und somit die Steigerung der Wirtschaftlichkeit der Anlage geschieht primär mit einem Home Energy Management System (HEMS), einer Software, die PV-Anlage, Stromspeicher und grosse Stromverbraucher wie Wallbox oder Wärmepumpe intelligent miteinander verknüpft. Als Taktgeber des lokalen Energiesystems erfasst und analysiert das HEMS die PV-Erzeugung auf dem Dach sowie den Betrieb des Speichers und den Stromverbrauch im Haushalt und steuert die bedarfsgerechte Verteilung des Solarstroms.
Harmonisierung der Schnittstellen
Nun gibt es aber auch das intelligente Stromnetz nicht umsonst und auch hier müssen zunächst noch Antworten auf dringende Fragen gefunden werden. So fehlt bisher eine einheitliche Schnittstelle, über welche Elektrizitätswerke und Verbraucher miteinander kommunizieren können. Ausserdem ist bislang nicht geklärt, wie Wärmepumpen oder E-Ladestationen als Verbraucher sowie PV-Anlagen als Erzeuger in ein intelligentes Stromnetz zu integrieren sind. Für beides fehlen Standards, weshalb SmartGridready genau hier ansetzt.
Der in Bern ansässige Verein setzt daher auf eine konsequente Harmonisierung der Kommunikationsschnittstellen. Diese sind gemäss Stefan Minder die Voraussetzung dafür, damit die Elektrizitätswerke beispielsweise anhand von Echtzeitdaten ihr Netz stabilisieren und gezielt erweitern können. Des Weiteren sind sie für innovative und neue Geschäftsmodelle wichtig, beispielsweise dynamische Strom- und Netz-Tarife oder Anreizmodelle für netzdienliches Verhalten.
Einer, den solch dynamische Abrechnungsmodelle interessieren, ist Martial Beutler aus Bösingen. Der Besitzer eines Einfamilienhauses ist Stromverbraucher und -erzeuger und interessiert sich vor allem für einen kostenoptimierten Energiebezug: «Ich möchte unsere Elektroautos möglichst günstig laden. Wenn das morgens zwischen 3 und 6 Uhr ist, muss das automatisch erfolgen», sagt er und ergänzt: «Im Moment müsste ich den Wecker stellen und den Ladvorgang selbst auslösen.»
Dass es das nicht sein kann, versteht sich von selbst! Daher stimmte er gleich zu, als ihn seine Arbeitgeberin, die Wago Contact SA in Domdidier fragte, ob er nicht an einem Innosuisse-Projekt der Fachhochschule HES-SO Wallis teilnehmen möchte. In dessen Rahmen wurden zwölf Haushalte in der Westschweiz mit Messtechnik ausgestattet, um zwei Jahre lang die Stromzu- und -abflüsse zu erfassen. Mit den erhobenen Daten soll später eine Software dahingehend optimiert werden, Stromerzeuger und -verbraucher autonom zu steuern.
Verknüpfung OT und IT
Wieso das wichtig ist, erklärt Martial Beutlers Arbeitskollege Stéphane Rey: «Nur wenn alle diese Geräte miteinander sprechen können, lassen sich Einfamilienhäuser zu einem günstigen Preis energieoptimiert betreiben.» Im Auge hat er dabei vor allem die Regelenergie, die sich für zukünftige Dienstleistungen wie das «Peak Shaving» eignet. Da diese nicht zu festen Zeiten benötigt wird, ist sie ideal, um die Last grosser Verbraucher wie Wärmepumpen oder E-Ladesäulen gezielt zu drosseln. Die Frage, die sich hierbei allerdings stellt: Wie steuert man ein solches Haus? «
Dafür braucht es eine fehlerfrei funktionierende Plattform, bei der eine industrielle Steuerung beispielsweise über PC oder Tablet Cloud-basiert kommuniziert», sagt Stéphane Rey. Aus seiner Arbeit als Applikationsingenieur kennt er seit Jahren diese Verknüpfung von OT und IT. Weil eine solche industrielle Steuerung überdimensioniert und den meisten Anwendern als Home Energy Management System vermutlich zu teuer wäre, optimiert Wago einen seiner industrietauglichen Controller für den Einsatz im Energiemarkt. Das Ziel: Elektriker müssen Wärmepumpen, Wechselrichter und weitere Geräte möglichst einfach ins intelligente Stromnetz integrieren können.
Treiber für flexible Kommunikation
Diese problemlose Integration ist eine Aufgabe, der sich innerhalb des Innosuisse-Projekts die Fachhochschule Wallis verschrieben hat. Professor Frédéric Revaz ist aufgrund seiner Forschungsarbeit mit Begriffen wie «Selbstverbrauchsoptimierung», «Dynamische Tarife» oder «Dienste für Verteilnetzbetreiber» vertraut und weiss daher, in welche Richtung sich der Energiemarkt in kommender Zeit entwickeln wird: «Es entstehen neue Geschäftsmodelle, mit denen sich der Energiebedarf von Gebäuden flexibel steuern lässt.»
Voraussetzung für eine solch flexible Kommunikation innerhalb des Smart Grids ist die einfache Einbindung der Geräte. «Für diese entwickeln wir die benötigten Treiber», so Frédéric Revaz. Ziel ist es, mit diesen Smart Grid-fähige Geräte möglichst einfach in ein Netzwerk einzubinden – vom Aufwand soll das nicht viel schwerer sein als zum Beispiel einen Drucker in sein Heimnetzwerk zu integrieren.
Was in der Praxis möglich ist, wenn Stromverbraucher sich untereinander austauschen können, testet die Fachhochschule Wallis in einem weiteren Projekt. In diesem schliesst sie mehrere Wärmepumpen im Pool zusammen und betreibt diese mit Regelenergie. So kann sie die Wärmepumpen mit einem dynamischen Tarif kostenoptimiert steuern: Weicht die Differenz vom gebuchten Energiebezug zu stark ab, fährt ein Signal automatisch die Wärmepumpen hoch beziehungsweise runter.
HEMS als zentraler Knotenpunkt
Die Rollen von Wago und der Fachhochschule Wallis sind in dem Innosuisse-Projekt definiert. Wie ist in diesem Kontext aber SmartGridready zu sehen? «Uns interessiert vor allem, wie sich die Systemintegration und die Kommunikationsanbindung ans Netz so stark vereinfachen lässt, dass das Smart Grid rasch ausgerollt werden kann», sagt Stefan Minder und ergänzt: «Daher sollen die Erfahrungen der FH Wallis und Wago in die Weiterentwicklung des SmartGridready-Labels einfliessen.»
Wichtig ist ihm das vor allem deshalb, weil Home Energy Management Systeme aus seiner Sicht zukünftig die zentralen Knotenpunkte im Smart Grid sein werden: «Diese stellen den Verteilnetzbetreibern und Energieversorgern alle relevanten Lastdaten zur Verfügung, empfangen Preis- und Steuerungssignale, regeln Geräte im Gebäude autonom und entlasten so das Netz ohne Komfortverlust.» Damit, so der Geschäftsführer von SmartGridready, seien die Systeme in Ergänzung mit einem vernünftigen Netzausbau für die Energiewende unverzichtbar: «Nur mit intelligenten Systemen lässt sich die Umschichtung bei den Energieflüssen sowie der Zuwachs an erneuerbaren Energien bewältigen.»
Hinweis: Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Fachzeitschrift "Bulletin Electrosuisse".
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Datum: 06.11.2025 - 09:00 Uhr
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