IndustrieTreff - Umweltrecht: Interview der ilex zum Thema Altlastenklauseln

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Umweltrecht: Interview der ilex zum Thema Altlastenklauseln

ID: 701073

Das Thema Altlasten ist für viele relevant – vor allem für die Parteien eines Vertrages über ein Grundstück, z. B. Investoren, Gemeinden, Pächter und private und öffentliche Bauherren. Dabei liegt der Fokus umwelttechnischer und anwaltlicher Beratung sehr häufig auf Fragen der Gewährleistungsrechte: „Ist die Altlast ein Mangel?“ Im Interview mit Frau Dipl.-Geol. Renate Sommerburg und Frau Dipl.-Geol. Petra Laußat sowie Rechtsanwalt Dr. Stephan Gärtner kommt ein weiteres Altlasten-Problem zum Vorschein, nämlich der Ausgleichsanspruch nach § 24 Absatz 2 BBodSchG. Hierbei kann die Vertragspartei, die Adressat einer Sanierungsverfügung ist, die andere Vertragspartei auf Ausgleich in Anspruch nehmen. Ob es sinnvoll ist, diese Möglichkeit vertraglich auszuschließen, ist Kernthema des nachfolgenden Interviews.

(industrietreff) - ilex: Guten Tag Frau Sommerburg, guten Tag Frau Laußat. Können Sie kurz beschreiben, welche berufliche Verbindung Sie zur Altlastenproblematik haben?

Frau Dipl.-Geol. Renate Sommerburg: Wir untersuchen und bewerten Schadstoffe in Boden und Grundwasser, häufig im Rahmen von Immobilienan- und verkäufen. In unseren Gutachten geht es meist um die Frage, ob sogenannte Altlasten auf einem Grundstück vorhanden sind und mit welchen Kosten gegebenfalls für ihre Beseitigung zu rechnen ist.
Frau Dipl.-Geol. Petra Laußat: Weiterhin planen und betreuen wir die Sanierung von Altlasten und dokumentieren diese im Auftrag des Sanierungspflichtigen gegenüber den Behörden.

ilex: Herr Rechtsanwalt Gärtner. Was verbindet Sie mit dieser Thematik?
Rechtsanwalt Dr. Gärtner: Ich bin als Rechtsanwalt ganz überwiegend im wirtschaftsrechtlichen Verwaltungsrecht tätig und berate dort Investoren, Unternehmen, aber auch Kommunen und andere öffentliche-rechtliche Träger vor allem im Umweltrecht. Häufig treten die vorgenannten Mandanten an mich heran und bitten um einen rechtssicheren und wirtschaftlich sinnvollen Entwurf eines Grundstück-Kaufvertrages bzw. um die Überprüfung eines bereits bestehenden Grundstück-Kaufvertrages. Dabei ist die Altlastenproblematik eines der wichtigsten Probleme.

ilex: Frau Sommerburg und Frau Laußat, können Sie gemeinsam kurz umreißen, wie oft Grundstücke mit Altlasten belastet sind? Stellt die Altlasten-Thematik im Immobiliengeschäft ein wirtschaftlich relevantes Problem dar?

Frau Dipl.-Geol. Renate Sommerburg: Ja, auf jeden Fall. Die Sanierung von Schadstoffen in Boden und Grundwasser kann ganz erhebliche Kosten verursachen und gerade bei Grundwassersanierungen auch mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Während der Sanierung ist ein Grundstück nicht oder nur eingeschränkt nutzbar, was für einen Käufer natürlich weitere große Probleme bedeuten kann.

Frau Dipl.-Geol. Petra Laußat: Kosten können aber nicht nur für die Beseitigung von Schadstoffeinträgen zum Beispiel aus früherer industrieller Nutzung entstehen. Auch ein ganz normales innerstädtisches Grundstück mit Trümmerschutt kann bei Neubau erhebliche Mehrkosten für die Entsorgung dieses Trümmerschutts verursachen, obwohl es sich eigentlich um keine Altlast nach der rechtlichen Definition handelt. Andere Kostenverursacher können auch Schadstoffe in den Gebäuden oder Kampfmittel sein. Zum Beispiel wird die Entsorgung von Bomben- und Munitionsresten zwar durch das Land getragen, nicht aber die Suche danach.






ilex: Herr Rechtsanwalt Gärtner. Gibt es eine Faustformel für den Umgang mit Altlasten in den Verträgen?

Rechtsanwalt Dr. Gärtner: Meine Antwort lautet: Nein! Faustformeln verbieten sich und das gilt für viele Rechtsgebiete. Ich erkläre meinen Mandanten bereits im ersten Gespräch, dass es keine Patentlösungen gibt. Der Einzelfall entscheidet. In der Altlastenproblematik stellt sich für viele Verkäufer vor allem eine vordergründige Frage: Wie ist die Mängelgewährleistung zu regeln?

ilex: Können Sie dies bitte näher erklären?

Rechtsanwalt Dr. Gärtner: Altlasten lösen als Mangel unter Umständen Gewährleistungsansprüche aus. Auch hier ist der Einzelfall entscheidend. Daher werden die Verkäufer – aus guten Gründen – sehr häufig einen Gewährleistungsausschluss verlangen, was unter bestimmten Voraussetzungen auch zulässig ist.


ilex: Frau Sommerburg und Frau Laußat, zu Ihrem Leistungsspektrum gehört auch die Durchsicht von Immobilien-Kaufverträgen hinsichtlich der Altlastenparagraphen. Sind solche Gewährleistungsansprüche wirklich häufig?

Frau Dipl.-Geol. Renate Sommerburg: Es kommt immer wieder zu Streitfällen, weil die Formulierungen des Altlastenparagraphen in den Verträgen zu ungenau sind. Häufig wird nur allgemein von „Altlasten“ gesprochen. Aber nicht alles, was zum Beispiel während der Bauphase - bei der Entsorgung von kontaminiertem Bodenaushub - erhöhte Kosten verursacht, ist rechtlich gesehen eine Altlast.

Frau Dipl.-Geol. Petra Laußat: Hier würde es sich lohnen, vorher genau zu überlegen, was auf dem Grundstück geplant ist. Wenn es darum geht, ob bei gleichbleibender Nutzung eine Sanierung notwendig ist, müssten im Vertrag die jeweils geltenden Prüfwerte der Bundesbodenschutz- und Altlastenverordnung genannt werden. Bei geplantem Neubau und Aushub wären dies entsorgungsbedingte Mehrkosten, die jedoch auf abfallrechtlicher Bewertung basieren.

ilex: Ist Ihrer Ansicht nach eine Altlast auch ein Mangel?

Frau Dipl.-Geol. Renate Sommerburg: Eine durch Untersuchungen festgestellte Altlast ist in jedem Fall ein Mangel. Aber bereits der in einem behördlichen Kataster eingetragene Verdacht auf Altlasten ist als ein Mangel anzusehen, der sich wertmindernd auf ein Grundstück auswirkt.

Frau Dipl.-Geol. Petra Laußat: Die Umweltbehörden tragen Grundstücke auch aufgrund ihrer früheren gewerblichen Nutzung als Altlastenverdachtsfläche ein. Um aus diesem Kataster befreit zu werden, muss üblicherweise der Eigentümer selbst Untersuchungen veranlassen.

ilex: Herr Rechtsanwalt Gärtner; dann ist ja mit einem Gewährleistungsausschluss alles zum Thema Altlasten getan.

Rechtsanwalt Dr. Gärtner: Ich widerspreche Ihnen hier sehr höflich. Es ist ein Irrglaube, dass der pauschale und gängige Gewährleistungsausschluss jedwede Inanspruchnahme bei Altlasten ausschließt. Stellen Sie sich folgenden Fall vor: Ein Eigentümer verkauft sein Grundstück an einen Investor. Er hat das Grundstück seit Jahren nicht besichtigt und weiß daher nicht, dass sich auf dem Grundstück Altlasten befinden. Um aber sicher zu gehen, vereinbaren die Parteien einen allgemein formulierten Haftungsausschluss. Nach Abwicklung des Kaufvertrages stellt sich heraus, dass das Grundstück durch Altlasten beeinträchtigt ist. Die zuständige Behörde erlässt gegen den Investor, also den Käufer, und auf dessen Kosten einen Sanierungsbescheid. Der Investor verlangt von nun von dem Verkäufer, dass sie sich an diesen Kosten beteiligt.

ilex: Dann wird der Verkäufer dem Investor den Haftungsausschluss entgegenhalten.

Rechtsanwalt Dr. Gärtner: Das sehen Sie richtig. Ob der Verkäufer dies mit Erfolg tut, ist aber eine ganz andere Frage. Denn der Käufer macht hier keine Gewährleistungsansprüche geltend, sondern einen Ausgleichsanspruch nach § 24 Absatz 2 BBodSchG. Danach kann derjenige, der von der Behörde in Anspruch genommen wurde von einer anderen verantwortlichen Partei, etwa dem Alteigentümer, einen Ausgleich verlangen.

ilex: Ist der Ausgleichsanspruch denn nicht durch den Haftungsausschluss umfasst?

Rechtsanwalt Dr. Gärtner: Das ist äußerst strittig. Einmal hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Ausschluss von Gewährleistungsrechten grundsätzlich auch eine abweichende Vereinbarung über den Ausgleichsanspruch der Sanierungsverantwortlichen gemäß § 24 Absatz 2 BBodSchG bedeuten kann. Wiederum in einer anderen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof diesen Rechtssatz aber bezweifelt. Diese mäandrierende Rechtsprechung sollte niemand unterschätzen. Die Frage, ob man für eine Sanierungsverfügung finanziell einstehen muss, sollte nicht von dem Zufall abhängen, vor welchem Senat man landet. Allerdings ist ein Ausschluss nur dann notwendig, wenn ein erhebliches Altlastenrisiko besteht, da ein ausdrücklicher Ausschluss von
§ 24 Absatz 2 Satz 2 BBodSchG den Kaufpreis natürlich mindert.

ilex: Frau Sommerburg und Frau Laußat, können Sie einmal für Laien erklären, wie Sie bei der Suche nach Altlasten vorgehen?

Frau Dipl.-Geol. Renate Sommerburg: Zunächst sehen wir uns das Grundstück an, um Hinweise auf mögliche Nutzungen zu erhalten, bei denen Schadstoffe eingetragen wurden. Dies können bei Brachflächen beispielsweise Erhebungen im Gelände durch Aufschüttungen oder deutliche Änderungen des Pflanzenbewuchses sein. Weiterhin informieren wir uns in Archiven über die Nutzungshistorie des Grundstückes. Hieraus ergibt sich das Spektrum der zu untersuchenden Schadstoffe sowie die Positionen an denen man nach ihnen suchen muss. In den meisten Fällen stimmen wir im Vorfeld die geplanten Untersuchungen mit den jeweiligen Umweltbehörden ab.

Frau Dipl.-Geol. Petra Laußat: Nach den eher theoretischen Recherchen gehen wir anschließend der Sache wortwörtlich auf den Grund. Im praktischen Teil vor Ort nehmen wir - je nach Fragestellung - an Verdachtspositionen Bohrungen vor oder entnehmen aus verschiedenen Tiefen Proben oder entnehmen dem Boden oberflächennah Mischproben. Wir sehen uns den Boden an, beurteilen, ob Auffälligkeiten zu erkennen sind und lassen die Proben im Labor untersuchen. Falls Verdacht auf einen Grundwasserschaden besteht, errichten wir entsprechende Messstellen, an denen das Grundwasser beprobt werden kann.

ilex: Welchen Einfluss haben Altlasten und Haftungsausschlüsse auf den Kaufpreis?

Frau Dipl.-Geol. Renate Sommerburg: Der Einfluss der Altlasten auf den Kaufpreis ist bei bekannten Altlasten ganz wesentlich und beim Verdacht auf Altlasten meist schwierig zu kalkulieren.

Frau Dipl.-Geol. Petra Laußat: In der Praxis werden verschiedene Modelle angewandt. Zum Beispiel werden vorab geschätzte Sanierungskosten vom Kaufpreis abgezogen oder der volle Kaufpreis wird erst gezahlt, wenn das Grundstück durch den Verkäufer saniert und aus dem Altlastenkataster befreit wurde. Falls entsorgungsbedingte Mehrkosten zu erwarten sind, werden diese beispielsweise ab einer bestimmten abfallrechtlichen Einstufung vom Verkäufer getragen. Es lohnt sich auf jeden Fall, die Verträge mit fachlicher versierter Beratung detailliert zu formulieren, um Streitfälle zu vermeiden.

ilex: Vielen Dank für das Interview.


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Datum: 16.08.2012 - 10:10 Uhr
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