IndustrieTreff - Von der Biophysik zur Neurobiologie

IndustrieTreff

Von der Biophysik zur Neurobiologie

ID: 96126

Wissenschaftspreis des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft an
Prof. Dr. Ernst Bamberg, Direktor am Max-Planck-Institut für Biophysik
in Frankfurt am Main

(industrietreff) - Der Biophysiker Ernst Bamberg wird für seine fundamentalen Arbeiten auf
dem Gebiet der Membranbiophysik ausgezeichnet, die zur Entdeckung und
neurobiologischen Anwendung lichtaktivierbarer Ionenkanäle, der
sogenannten Channelrhodopsine geführt haben. Die Anwendung dieser
einzigartigen Kanäle und der lichtgetriebenen Chloridpumpe
Halorhodopsin hat zu einer Revolution in der Neurobiologie geführt, da es
jetzt möglich ist, Nervenzellen im Gehirn durch Licht ein- und abzuschalten.

Mit der Entdeckung der Channelrhodopsine wurde das neue, inzwischen weltweit bearbeitete Gebiet der Optogenetik erschlossen.

Im Rahmen der Jahreshauptversammlung der Max-Planck-Gesellschaft am 18. Juni 2009 in Mainz wird der Vorsitzende des Stifterverbandes für die Deutsche
Wissenschaft, Dr. Arend Oetker, den mit 50 000 Euro Wissenschaftspreis an Bamberg überreichen

Der Transport von Ladungen in Form von positiv und negativ geladenen Ionen
über die Zellmembran spielt bei der Signalübertragung und Stoffaustausch in
Zellen eine bedeutende Rolle. Ernst Bamberg hat sich seit Beginn seiner
Forscherlaufbahn mit experimentellen und theoretischen Grundlagen zum
Mechanismus des Ladungstransports über biologische Membranen beschäftigt,
und dabei insbesondere Licht und durch Licht aktivierbare Moleküle eingesetzt.
Schwerpunkt seiner Arbeiten war die Funktionsanalyse von mit den üblichen
elektrophysiologischen Methoden schwer zugänglichen Transportern und
Ionenpumpen.

So gelang es Bamberg erstmalig, durch Licht freisetzbare, energiehaltige
Moleküle zum schnellen Anschalten von Membrantransportproteinen in vitro
und in situ einzusetzen, und somit über die elektrophysiologische Bestimmung
einzelner Teilreaktionen wichtige Informationen zum Mechanismus dieser
Proteine zu erhalten. Mit Hilfe der sogenannten Voltage-Clamp-Fluorometry




konnte er bei bestimmten, äußerst wichtigen Membrantransportreaktionen unter physiologischen Bedingungen in einzelnen Zellen den Ionentransport und die Konformationsdynamik miteinander korrelieren.

Darüber hinaus gelang ihm die elektrische und elektrophysiologische
Charakterisierung der Licht-aktivierbaren mikrobiellen Rhodopsine, die Ähnlichkeiten mit den Sehpigmenten ("Rhodopsinen") des menschlichen Auges
aufweisen. Die elektrophysiologische Beschreibung der beiden Ionenpumpen
10. Juni 2009 Bakteriorhodopsin und Halorhodopsin in eukaryotischen Zellen erlaubte, deren Tranporteigenschaften
erstmalig direkt unter kontrollierten elektrischen Parametern zu bestimmen, wie sie in der natürlichen Umgebung vorkommen.

Mit dieser experimentellen Vorgehensweise wurde die Entdeckung der Licht-aktivierbaren Ionenkanäle
Channelrhodopsin1und 2 in den Jahren 2002 und 2003 möglich. Bis zu diesem Zeitpunkt waren Lichtaktivierte
Ionenkanäle unbekannt. Ernst Bamberg, sein ehemaliger Mitarbeiter Georg Nagel, der heute an der Universität Würzburg lehrt, und Peter Hegemann von der Humboldt-Universität, Berlin gelang es, diese einzigartigen Ionenkanäle aus der einzelligen Grünalge Chlamydomonas reinhardtii in Zellen von Wirbeltieren herzustellen und als die Zellen depolarisierende Kanäle zu beschreiben.

Bamberg, Hegemann und Nagel erkannten das technische Potenzial der Channelrhodopsine für die Neuro und
Zellbiologie und dokumentierten dies in einer Patentanmeldung im Jahre 2002 im Detail. In Nervenzellen sollten sich Channelrhodopsin2 und die Licht-getriebene Chloridpumpe Halorhodopsin als lang gesuchtes Werkzeug für die Neurobiologie und die Hirnforschung erweisen. Die Herstellung von
Channelrhodopsin2 in elektrisch erregbaren Zellen in Kultur oder in lebenden Tieren führt zu einer Lichtinduzierten Anregung der Zellen. Dabei wird der Ionenkanal geöffnet und die Zelle durch den Einstrom von
Natrium-Ionen depolarisiert. Als Konsequenz dieses Vorgangs beginnt eine Nervenzelle zu "feuern", d.h.
Aktionspotenziale auszusenden.
Die experimentelle Bestätigung an Neuronen und Muskelzellen gelang Bamberg und Nagel in Zusammenarbeit mit Alexander Gottschalk von der Goethe-Universität, Frankfurt und mit Karl Deisseroth von der Stanford University.

Sowohl im transgenen Fadenwurm C. elegans als auch in kultivierten
Hippocampus Zellen konnte eine präzise Lichtaktivierung bzw. Inaktivierung von Neuronen und Muskelzellen nachgewiesen werden. Mit diesen Arbeiten, von denen eine von der Fachzeitschrift Nature
zu den Top Publikationen des Jahres 2007 gewählt wurde, gelang endgütig der Durchbruch für die Neurobiologie.

Neben der Bedeutung als Werkzeug in der neurobiologischen Grundlagenforschung, bergen die Lichtgeschalteten
Kanäle auch ein großes Potenzial für medizinische Anwendungen, beispielsweise für die
Wiederherstellung des Sehens bei bestimmten Erblindungen sowie bei der Behandlung von Parkinson und
Epilepsie (Ersatz der stimulierenden Elektroden durch Licht mit allen oben skizzierten Vorteilen). Dies
wurde in der Folge durch einige Aufsehen erregende Arbeiten anderer Forschergruppen bestätigt, so durch
Studien zur Wiederherstellung des Sehens an Photorezeptor-defizienten Mäusen oder Arbeiten zu Licht
induzierten Verhaltensreaktionen von Nagern.

Der neue methodische Ansatz der Optogenetik beginnt, weite Teile der Neurobiologie zu revolutionieren,
da in vielen Fällen die bisher üblichen stimulierenden Elektroden einfach durch eine nicht-invasive Belichtung ersetzt werden können. Auf Grund der sich jetzt abzeichnenden vielfältigen Möglichkeiten nicht nur in der Neurobiologie, sondern auch in der Zellbiologie bis hin zur Wirkstoffsuche, setzen inzwischen
Hunderte von Labors weltweit Channelrhodopsine bei der Beantwortung ihrer Fragestellungen ein. "Die
derzeitige Entwicklung lässt darauf schließen, dass Channelrhodopsine in der Zukunft eine ähnliche Bedeutung in der Neurobiologie erlangen werden, wie das ubiquitär eingesetzte Green Fluorescent Protein (GFP) heute in der Zellbiologie, für dessen Entdeckung und Anwendung 2008 der Nobelpreis für Chemie verliehen wurde", betont Bambergs Kollege Hartmut Michel.

[CB]
Verwandte Links:
[1] Pressemitteilung 2007: Licht steuert Nervenzellen

[2] Stifterverbandpreis 2009: Ernst Bamberg (wmv-Video ca. 38 MB)

Originalveröffentlichung:
Fendler, K., Grell, E., Haubs, M. und Bamberg, E.: Pump currents generated by the purified Na+K+-ATPase from kidney on black lipid membranes.
EMBO J. 4, 3079-3085 (1985)

Bamberg, E., Tittor, J.und Oesterhelt, D.:
Light-driven proton or chloride pumping by halorhodopsin..
Proc. Natl. Acad. Sci. USA 90, 639-643 (1993)

Nagel, G., Szellas, T., Huhn, W., Kateriya, S., Adeishvili, N., Berthold, P., Ollig, D., Hegemann, P. und Bamberg, E.:
Channelrhodopsin-2, a directly light-gated cation-selective membrane channel.
Proc. Natl. Acad. Sci. 100, 13940-13945 (2003)

Geibel, S., Kaplan, J.H., Bamberg, E. und Friedrich, T.:
Conformational Dynamics of the Na+/K+-ATPase probed by voltage clamp fluorometry.
Proc. Natl. Acad. Sci. 100, 964-969 (2003).

Boyden, E.S., F. Zhang, E. Bamberg, G. Nagel, K. Deisseroth:
Millisecond-timescale, genetically targeted optical control of neural activity.
Nature Neuroscience 8(9):1263-1268 (2005).
Zhang, F., Wang, L., Brauner, M., Liewald, J. F., Kay, K., Watzke, N., Wood, P. G., Bamberg, E., Nagel, G., Gottschalk, A. und
Deisseroth, K.:
Multimodal fast optical interrogation of neural circuitry
Nature 446, 633-639 (2007)

Kontakt:
Prof. Dr. Ernst Bamberg / Heidi Bergemann (Sekretariat)
Max-Planck-Institut für Biophysik, Frankfurt am Main
Tel.: +49 69 6303-200
E-mail: secretary-bamberg(at)biophys.mpg.de


Themen in dieser Meldung:


Unternehmensinformation / Kurzprofil:

Die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. ist eine unabhängige gemeinnützige Forschungsorganisation. Sie wurde am 26. Februar 1948 - in Nachfolge der bereits 1911 errichteten Kaiser-Wilhelm- Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften - gegründet. Die Max-Planck-Gesellschaft fördert die Forschung vorrangig in eigenen Instituten.

Max-Planck- Institute betreiben Grundlagenforschung in den Natur-, Bio-, Geistes- und Sozialwissenschaften im Dienste der Allgemeinheit. Die Max-Planck-Gesellschaft greift insbesondere neue, besonders innovative Forschungsrichtungen auf, die an den Universitäten in Deutschland noch keinen oder keinen angemessenen Platz gefunden haben, wegen ihres interdisziplinären Charakters nicht in das Organisationsgefüge der Universitäten passen oder einen personellen oder apparativen Aufwand erfordern, der von Universitäten nicht erbracht werden kann. Mit ihrer Vielfalt an natur- und geisteswissenschaftlichen Themen ergänzen die Max- Planck-Institute damit die Arbeit der Universitäten und anderer Forschungsinstitutionen auf wichtigen Forschungsfeldern; sie haben in einzelnen Bereichen Schwerpunkt-, in anderen Bereichen eine Ergänzungsfunktion. Einige Institute der Max-Planck-Gesellschaft erfüllen darüber hinaus auch Dienstleistungsfunktionen für die Hochschulforschung. Sie stellen aufwändige Einrichtungen und Geräte einem breiten Wissenschaftlerkreis zur Verfügung - von Teleskopen und anderen Großgeräten bis hin zu Spezialbibliotheken und Dokumentationen.



Leseranfragen:




Kontakt / Agentur:

hpunkt kommunikation
Clarissa Haenn
Mainzer Str. 52
55270
Schwabenheim
hpunktkomm(at)aol.com
06130-941430
http://www.hpunkt-komm.de



drucken  als PDF  an Freund senden  Kleine Sonnenforscher entdecken bewohnbares „Solarkraftwerk“
Pumacy präsentiert Lösung zur Langzeitsicherung von Wissen auf der HUMAV 2009
Bereitgestellt von Benutzer: Adenion
Datum: 16.06.2009 - 15:25 Uhr
Sprache: Deutsch
News-ID 96126
Anzahl Zeichen: 0

Kontakt-Informationen:
Ansprechpartner: Dr. Felicitas v. Aretin
Stadt:

München


Telefon: 089-2108 1227

Kategorie:

Forschung und Entwicklung


Anmerkungen:


Diese HerstellerNews wurde bisher 669 mal aufgerufen.


Die Meldung mit dem Titel:
"Von der Biophysik zur Neurobiologie

"
steht unter der journalistisch-redaktionellen Verantwortung von

Max-Planck-Gesellschaft (Nachricht senden)

Beachten Sie bitte die weiteren Informationen zum Haftungsauschluß (gemäß TMG - TeleMedianGesetz) und dem Datenschutz (gemäß der DSGVO).


Alle Meldungen von Max-Planck-Gesellschaft