Am Anfang war der heiße Stein / LMU-Forscher Dieter Braun untersucht, wie das Leben auf der Erde entstanden sein könnte
(ots) - Wie und wo konnten die ersten Lebensformen auf der
frühen Erde entstehen? Voraussetzung für die Entstehung von Leben
ist, dass sich kleine Biomoleküle zu komplexen Strukturen
zusammenschließen, die sich selbst reproduzieren und genetische
Informationen stabil speichern. Das erfordert unter anderem eine hohe
Ausgangskonzentration der Biomoleküle - die aber kamen in der
"Ursuppe" der frühzeitlichen Ozeane wohl nur sehr vereinzelt vor.
LMU-Physiker um Professor Dieter Braun sind der Lösung dieses
Problems nun einen entscheidenden Schritt näher gekommen: Wenn
Meerwasser, Gestein und Hitze - etwa durch Vulkane - zusammenkommen,
bilden offene, wasserdurchspülte Gesteinsporen einen günstigen
Reaktionsraum für die Entstehung erster Erbmoleküle wie RNA oder DNA.
"Entscheidend ist, dass die Gesteinspore einseitig erhitzt ist,
sodass die der Wärmequelle zugewandte Seite der Pore deutlich wärmer
ist als die andere", sagt Braun, der auch Mitglied des
Exzellenzclusters Nanosystems Initiative Munich (NIM) und des Center
for NanoScience (CeNS) ist. Biomoleküle, die vom Meerwasser in die
Pore gespült werden, werden dann durch den Temperaturunterschied in
der Pore festgehalten und aufkonzentriert - die Voraussetzung für die
Entstehung und Vervielfältigung komplexerer Moleküle. Diese
"Molekül-Falle" basiert auf der sogenannten Thermophorese, nach der
sich Moleküle entlang eines Temperaturgefälles von der warmen zur
kalten Seite bewegen. Dabei werden auch bei offenen Poren
insbesondere die langen Polymere in der Pore festgehalten. Gerade bei
der Evolution von Erbmolekülen ist dies wichtig, weil auf längeren
Molekülen mehr genetische Informationen gespeichert werden können.
Gesteinspore im Labor nachgebaut
Im Labor konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass dieses
System funktioniert: "Wir haben eine natürliche Pore mit winzigen
Glaskapillaren nachgebaut, einseitig geheizt und mit Wasser
durchspült, das DNA-Bausteine unterschiedlicher Länge enthielt. Unter
diesen Bedingungen werden nur die langen DNA-Bausteine tatsächlich in
der Pore festgehalten", sagt Braun. "Geheizte Poren kamen im
Vulkangestein der jungen Erde oft vor, dieses Szenario ist also sehr
realistisch. Noch besser wird der Temperatureffekt, wenn man den
Einfluss von im Gestein eingeschlossenen Metallen einbezieht, die
eine hundertfach höhere Wärmeleitfähigkeit haben als Wasser".
Temperaturgefälle ermöglicht molekularen Copyshop
Genetische Moleküle werden nicht nur gegen den Strom in der Pore
festgehalten, sie reproduzieren sich auch: In den heißeren Zone der
Pore schmelzen doppelsträngige DNA-Moleküle auf und teilen sich im
Minutentakt in ihre beiden Stränge. Diese werden durch den
Konvektionsstrom - eine kreisförmige Bewegung der Flüssigkeit
aufgrund des Temperaturgefälles - wieder in den kühleren Bereich
transportiert. Dort wird die DNA mit neuen Bausteinen gefüttert und
erneut zu einem Doppelstrang ergänzt. Wenn mehr DNA entsteht als
akkumuliert werden kann, verlassen neu replizierte Moleküle die Pore
und verbreiten sich in benachbarten Porensystemen.
Damit ist es den Forschern erstmals gelungen, im Labor ein System
nachzubauen, das eine autonome, darwinsche Evolution von immer
komplexeren Molekülen ermöglicht - also die Voraussetzungen für die
Entstehung von Leben schafft. "Leben bedeutet immer thermodynamisches
Nichtgleichgewicht. Deswegen muss die Entstehung ersten Lebens durch
eine externe Energiequelle angestoßen werden - etwa durch einen
Temperaturunterschied", meint Dieter Braun, "dass dies so elegant und
einfach möglich ist, hat uns selbst sehr überrascht. Möglich war
dieser Erfolg nur durch die enge Zusammenarbeit aller im Team". göd
Publikation: Heat flux across an open pore enables the continuous
replication and selection of oligonucleotides towards increasing
length Moritz Kreysing, Lorenz Keil, Simon Lanzmich and Dieter Braun
Nature Chemistry 2014 http://www.nature.com/nchem/journal/vaop/ncurre
nt/full/nchem.2155.html
Kontakt:
Prof. Dr. Dieter Braun
Systems Biophysics
Phone: ++49 89 - 2180 2317
Dieter.braun(at)lmu.de
http://www.biosystems.physik.lmu.de/
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Datum: 27.01.2015 - 09:29 Uhr
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