Wegweisende Innovationen - Der Aerodynamik auf der Spur: BORGWARD experimentiert mit Windkanal und Wollfäden (FOTO)
(ots) -
Aerodynamik ist sicherlich eines der kompliziertesten Themen, mit
denen sich Automobilhersteller heute auseinandersetzen. Doch im 21.
Jahrhundert stehen den Experten kühlschrankgroße Hochleistungsrechner
zur Verfügung, die tagelang arbeiten, um den Geheimnissen der
Luftströmung auf die Spur zu kommen. Carl F. W. BORGWARD, der sich
auch sehr früh für Flugzeuge und später Helikopter interessierte,
erkannte bereits in den Dreißigern, dass, ähnlich wie im Flugzeugbau,
die Aerodynamik auch beim Automobil dem Fortschritt Beine machen
konnte. Einerseits ließ sich der Benzinverbrauch senken und
andererseits Höchstgeschwindigkeit wie Beschleunigung in ungeahnte
Höhen schrauben.
Ein erster Meilenstein in Sachen Aerodynamik war bei BORGWARD die
1936 entwickelte viertürige Limousine "Windspiel", die im März 1937
auf der Berliner Automobilmesse ihre Premiere gab. Der Wagen setzte
die Erkenntnisse des damals führenden Aerodynamikers Paul Jaray in
die Realität um und nahm im Styling die amerikanischen
Airflyte-Modelle der innovativen Nash-Werke von 1949 vorweg.
Umgesetzt hatten die Idee zu dem Fahrzeug BORGWARD-Chefkonstrukteur
Herbert Scarisbrick und Betriebsleiter Friedrich Kynast, die sogar
ein Patent auf die zur Entlüftung dienenden Eckscheiben besaßen. Mit
nur 40 PS Motorleistung erreichte die Limousine immerhin eine
Höchstgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern, was ihre
Windschnittigkeit deutlicher unterstreicht als jeder
Luftwiderstandsbeiwert.
Kaum war 1949 der BORGWARD Hansa 1500 in Pontonform vorgestellt,
begannen die Arbeiten an einer neuen Karosserievariante: dem Projekt
Hansa 1800 Fließheck. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte BORGWARD
damit begonnen, Fahrzeuge in den Windkanälen der Technischen
Hochschule Hannover und beim FKFS, dem Forschungsinstitut für
Kraftfahrtwesen und Fahrzeugmotoren in Stuttgart, prüfen zu lassen.
Mit dem Fließheck wollte BORGWARD die Pontonform aerodynamisch
optimieren. Ob bei der Entwicklung des schnittigen Viertürers bereits
der eigene Windkanal der BORGWARD-Werke für Modelle im Maßstab 1:5
benutzt wurde, lässt sich heute nicht mehr zweifelsfrei
rekonstruieren. Allein die sehr frühe Investition in solch eine
Anlage an der Südseite des Werks unterstreicht den Stellenwert der
Aerodynamik bei der damaligen Fahrzeugentwicklung der Bremer. Auf der
IAA im April 1951 in Frankfurt war der Fließheck-Hansa jedenfalls
einer der Hingucker.
Doch das Konzept war noch nicht ganz serienreif. Extra für das
Fließheck-Projekt schuf Motorenentwickler Karl-Ludwig Brandt ein
Sechszylinder-Triebwerk, das Respekt einflößende 82 PS Höchstleistung
besaß. Die Karosserie erhielt dagegen nur leichte Retuschen, warf
während der Testphase einiges an Chromzierrat am Grill ab. Im Oktober
1952 liefen dann die ersten Wagen des nun "Hansa 2400 Sport"
genannten Aerodynamik-Wunders vom Band. Leider verkaufte sich die
ungewöhnliche Form nur mäßig, weshalb BORGWARD später den 2400er auch
als Stufenheck-Limousine auflegte.
Dass aerodynamische Effizienz und Stufenheck durchaus
zusammengingen, bewies eindrucksvoll die ab 1954 gebaute BORGWARD
Isabella mit ihrem überraschend niedrigen Luftwiderstands-Beiwert von
cw 0,40. Zum Vergleich: Der damalige Ford 17 M kam nur auf 0,54. Noch
mehr aerodynamischen Feinschliff erhielt der Isabella-Nachfolger, der
P 100. Panoramascheiben und die von BORGWARD-Designer "Don" Roberto
Hernandez gewählte neue Trapezlinie der Karosserie bedeuteten auch
für die Windkanal-Experten aus Bremen neue und ungeahnte
Herausforderungen. Erste Höchstgeschwindigkeitsmessungen legten dann
auch den Verdacht nahe, dass es um die Windschlüpfigkeit des
Viertürers nicht besonders gut bestellt war. Sofort schickte Carl F.
W. Borgward ein 1:10-Holzmodell in den Stuttgarter FKFS-Windkanal.
BORGWARD ließ den 1:1-Prototypen in Grau lackieren und mit Wollfäden
bestücken, die in gewissen Abständen auf die Karosserie geklebt
wurden. Lag der Wollfaden während der schnellen Fahrt an, sprach dies
für gute Aerodynamik, tanzte er wie wild im Fahrtwind, für das genaue
Gegenteil. Erstes Ergebnis: Die aerodynamischen Probleme konnten sich
durch die vorgezogenen Dachlinie des Prototyps ergeben haben.
Der P 100 erhielt eine modifizierte Dachlinie und erreichte damit
die ambitionierten 160 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit, die
ihm auch die Ingenieure ins Lastenheft geschrieben hatten. Ein
weiterer Beweis für das ausgefeilte aerodynamische Know-how der
BORGWARD-Werke bereits in den frühen Sechzigern.
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E-Mail: juergen.schramek(at)borgward.com
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Datum: 19.08.2015 - 10:42 Uhr
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