Digital – dezentral – sicher: Wie das Jahrhundertprojekt Energiewende zum Erfolg wird
München, 07. Juli 2017 – Energieversorgung ist die kritischste aller kritischen Infrastrukturen: Sie ermöglicht uns angenehme Temperaturen, bringt Licht in die Dunkelheit, treibt unsere täglichen Begleiter wie Handy und Computer ebenso an wie den öffentlichen Nahverkehr und bildet die Basis für weitere kritische Infrastrukturen wie die Telekommunikation oder medizinische Versorgung – ohne Energie käme das öffentliche Leben zum Erliegen. Wie eine erfolgreiche Energiewende auf Basis von Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) sowie erneuerbaren Energien gestaltet werden kann und welche zentrale Rolle der digitalen Transformation der Energiebranche dabei zukommt, diskutierten rund 80 Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft auf der Fachkonferenz „Der Weg zur erfolgreichen IKT-basierten Energiewende“ des MÜNCHNER KREIS. Im Fokus der Konferenz standen die Themen der sicheren IKT-Architektur, Breitenakzeptanz von Energiewende-Projekten und neue Geschäftsmodelle durch Energiedatennutzung und Kopplung der Sektoren Elektrizität, Wärme und Mobilität.
(industrietreff) - Gleich zu Beginn stellte Prof. Dr. Dieter Rombach, Leiter des Arbeitskreis Energie des MÜNCHNER KREIS, drei besonders wichtige Forderungen des MÜNCHNER KREIS für eine erfolgreiche Energiewende vor: Um neue Geschäftsmodelle in der Energiewirtschaft zu ermöglichen, ist (1) die Abkehr von unserem restriktiven Modell hin zu einem flexibleren Datenschutz-Handling notwendig. Darüber hinaus müssen (2) Freiräume für öffentlich geförderte empirische Untersuchungen neuer Energie-Management-Ansätze geschaffen werden. Nur so kann der Weg für neue Geschäftsmodelle geebnet werden. Und gerade die aktuellen Angriffe auf die IT-Sicherheitsarchitektur zeigen die Verletzlichkeit dieser kritischen Infrastruktur Energie. Daher sollte (3) Cyber Security schon bei der Konstruktion mitgedacht werden und nicht erst nach der Fertigstellung der digitalen Infrastruktur auf der Agenda stehen.
Die Energieversorgung der Zukunft ist dezentral
Das zunehmend über IKT vernetzte Energiesystem ist immer mehr Hacker-Angriffen ausgesetzt. Gleichzeitig kann jedoch die Dezentralisierung einen wichtigen Beitrag zu einem resilienteren Energiesystem leisten. Das zeigten gerade auch die Vorträge der innovativen Start-ups, etwa der inno2grid, eeMobility, in.power oder EnerStorage, aber auch Etablierter, wie Siemens und Lichtblick: Elektrizität wird zukünftig nicht mehr primär zentral in großen Kraftwerken produziert und über weite Entfernungen verteilt, sondern dezentral und verbrauchernah, wobei auch eine Zwischenspeicherung wind- und sonnenarme Zeiten ausgleicht. Die kleinen Versorgungseinheiten (effiziente Größen sind etwa mehrere Wohnblöcke, Industrieareale) sollen im Notfall zumindest zeitlich begrenzt auch autark funktionieren, also unabhängig von der Versorgung aus dem Übertragungsnetz. Infolge einer dezentralen Energieversorgung verschwimmt die Grenze zwischen Energie-Produzenten und -Konsumenten. Sogenannte „Prosumer“ erzeugen Elektrizität selbst, verbrauchen diese und speisen überschüssigen Strom in das öffentliche Netz ein. Private Haushalte werden sich direkt am Energiemarkt beteiligen und ein wichtiger Bestandteil der Strom- und Wärmeerzeugung, insbesondere vor Ort. Diese Dezentralisierung bedeutet einen grundlegenden Wandel für das Energiesystem, der von der Akzeptanz der Beteiligten auf vielen Ebenen getragen sein sollte. Auf der Konferenz wurden interessante Praxisbeispiele zum erfolgreichen Umgang mit Akzeptanzherausforderungen, beispielsweise beim Bau von Windrädern, Nahwärmenetzen und der digitalen Vernetzung von Haushalten diskutiert.
Blockchain – Digitale Revolution des Energiesektors?
Obwohl die Blockchain-Technologie für den digitalen Sprung der Energiewirtschaft noch nicht ganz ausgereift ist, bescheinigen Experten ihr das Potenzial zur Revolution des Energiemarkts. Sie ermöglicht nicht nur direkte finanzielle Transaktionen, sondern auch den direkten Datenaustausch zwischen den beteiligten Akteuren, also Stromerzeugern und Stromverbrauchern, ohne dass Banken oder andere Institutionen und Unternehmen zwischengeschaltet sind. Damit wäre auch das lange diskutierte Öffnen von Mails im Internet zur Verifizierung und Weiterleitung durch Anbieter gelöst. So bieten neue Akteure – wie das Start-Up GridSingularity – Transaktionen mittels Blockchain unabhängig von Stadtwerken, Energieversorgern oder Strombörsen an. Daher sollten die „alten“ Akteure diese aktuellen Entwicklungen genau beobachten, um ihre zukünftigen Rollen und Chancen zu erkennen, die ihnen neue digitale Technologien bieten.
Die Nutzung von Blockchain-Technologie kann möglicherweise zu höherer Transparenz, dezentraler und verteilter Steuerung und letztendlich zu niedrigeren Strompreisen für Verbraucher führen. Abrechnung und Dokumentation des Stromverbrauchs könnte via Blockchain erfolgen, die Smart Meter (intelligente Stromzähler) ebenso anbinden wie einzelne Erzeuger, Maschinen und sonstige Geräte. Derzeit befinden sich erste Blockchain-Anwendungen noch in der Experimentierphase und es müssen noch technische wie regulatorische Entwicklungen folgen, um einen Durchbruch zu ermöglichen. Wer in einem Blockchain-System die Zulassung als Stromlieferant erhält und wer die Haftung übernimmt, sind grundsätzliche Fragen, die derzeit noch ungeklärt sind und enormes Diskussionspotenzial bergen, vor allem zwischen Regulierungsbehörden und Anbietern, worauf besonders Rechtsanwalt Stefan Söchtig von HFK Rechtsanwälte LLP, Hamburg hinwies.
Gekoppelte Sektoren für eine erfolgreiche Energiewende
Die Energiewende braucht innovative Köpfe, die um die Ecke denken und neue Lösungen schaffen. So waren sich die Teilnehmer auf der Fachkonferenz überwiegend einig, dass für die erfolgreiche Energiewende eine Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität notwendig ist. Dr. Benedikt Römer, Siemens AG, wies darauf hin, dass auf diese Weise erforderliche zusätzliche Flexibilität für das Energiesystem der Zukunft erbracht werden kann. Power-to-Heat Lösungen (Erzeugung von Wärme aus elektrischem Strom) ermöglichen beispielsweise die Umwandlung überschüssiger Windenergie in Wärme, die für Nahwärmenetze und industriellen Wärmebedarf genutzt werden kann. Ebenso können Elektrofahrzeuge durch intelligentes Laden Lastspitzen vermeiden und über Power-to-Gas-Lösungen kann perspektivisch eine saisonale Speicherbarkeit realisiert werden. Diese Umwandlungen wären gegebenenfalls vorteilhafter als Erzeugungsanlagen abzuschalten und den Betreibern hohe Geldbeträge als Ausgleich zu zahlen und auf die Verbraucher umzulegen. Voraussetzung für die erfolgreiche Sektorkopplung ist sozusagen eine „digitale Revolution“ für einen effizienteren Datenaustausch, der auf gemeinsamen Standards beruht, die sowohl sensible Verbraucherdaten schützen als auch fairen Wettbewerb garantieren. Zum fairen Wettbewerb gehört ebenfalls der technologieunabhängige Zugang zu Energiemärkten und Märkten für Netzdienstleistungen.
Erfolgsstrategie: Alle ziehen an einem Strang
Die abschließende Podiumsdiskussion zeigte, dass die IKT-basierte Energiewende nur dann Vorteile und neue Geschäftsmodelle mit sich bringt, wenn eine klare Systematik für Datenbereitstellung und -nutzung zur Verfügung steht. Dabei geht es um Neutralität von Netzen und Messsystemen und deren Daten, gerade auch im Sinne der Bundesregierung (Merkel, Gabriel) um das Modell der Datensouveränität. „Damit die Energiewende gelingt, muss eine Übereinkunft zwischen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen sowie Sicherheitsanforderungen erreicht und auf die Akzeptanz durch die Bevölkerung hingearbeitet werden“, betonte Prof. Dr. Michael Dowling, Vorstandsvorsitzender des MÜNCHNER KREIS.
Weiterführende Unterlagen zur Fachkonferenz finden sie hier.
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Datum: 07.07.2017 - 11:37 Uhr
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