Hitlers Wahlkampfauftritte hatten nur geringen Einfluss
(ots) - Politikwissenschaftler der Hertie School 
und der Universität Konstanz relativieren das Bild des Diktators als 
größtem Redner aller Zeiten mittels einer umfassenden Datenanalyse 
der Auftritte Hitlers und der Wahlergebnisse zwischen 1927 und 1933.
   In der Zeit zwischen 1927 und 1933 fanden in Deutschland fünf 
Reichstagswahlen sowie die Wahl zum Reichspräsidenten statt. Das 
Wahlergebnis der NSDAP steigerte sich innerhalb dieser Zeit von 
marginalen drei auf satte 44 Prozent. Der unmittelbare Einfluss der 
455 öffentlichen Auftritte, die Adolf Hitler in dieser Zeit 
absolvierte, auf die Wählerentscheidung war allerdings erstaunlich 
gering. Das belegen Forschungsergebnisse von Simon Munzert (Hertie 
School of Governance) und Peter Selb (Universität Konstanz), die in 
diesen Tagen im American Political Science Review erscheint.
   Selb und Munzert analysieren die Wahlstatistiken aus 1.000 
Landkreisen und Bezirken sowie aus 3.864 Kommunen. Sie ziehen ferner 
Informationen über Hitlers Kampagnenrouten, 
NSDAP-Parteimitgliedszahlen sowie Teilnehmerzahlen an den einzelnen 
Veranstaltungen hinzu. Auch die Auftritte von Joseph Goebbels, dem 
zweitwichtigsten Redner der NS-Bewegung, werden berücksichtigt. 
Mittels der statistischen Methode der "Differenz von Differenzen" 
vergleichen die Wissenschaftler die Entwicklung von Wahlergebnissen 
in Gebieten, in denen Hitler öffentliche Reden hielt, mit den 
Ergebnissen für ähnliche Gebiete, in denen er nicht auftrat.
   "Wir sind überrascht, wie marginal der Effekt von Hitlers 
Wahlauftritten war, obwohl ihm von Zeitzeugen und Historikern 
gleichermaßen überragende rhetorische Fähigkeiten attestiert werden",
so Selb und Munzert. Die Datenauswertung belegt flächendeckend aber 
nur geringe Auswirkungen, die zudem räumlich und zeitlich sehr 
begrenzt waren. Den Wissenschaftlern zufolge schlug Hitlers 
persönliches Engagement nur in der Stichwahl um das Amt des 
Reichspräsidenten von 1932 positiv zu Buche, die nach einem 
ungewöhnlich kurzen, intensiven und einseitigen Wahlkampf - 
Konkurrent Hindenburg absolvierte keinerlei öffentliche Auftritte - 
stattfand und Hitler etwa zwei Millionen zusätzliche Stimmen, nicht 
aber den Wahlsieg einbrachte. Hier schätzen die Autoren einen Effekt 
von einem bis zwei Prozentpunkten Stimmenzuwachs für die NSDAP in 
Landkreisen und Bezirken, in deren unmittelbarer Nähe Hitler vor der 
Wahl einen öffentlichen Auftritt absolvierte.
   Die Ergebnisse sind umso bemerkenswerter, als Hitlers Wahlkampf 
als einer der historisch wahrscheinlichsten Fälle für starke 
Kampageneffekte gilt. Im Gegensatz zu seinen politischen Konkurrenten
setzte er neue Techniken ein, wie den Lautsprecher und das Flugzeug, 
mit dem er das Land bereiste. Dies ermöglichte ihm flächendeckende 
Präsenz und ein Maß an öffentlicher Aufmerksamkeit, wie sie für 
damalige Verhältnisse beispiellos war. "Es ist erstaunlich, dass die 
öffentlichen Auftritte und Reden, die Hitler in seinen frühen Jahren 
als Populist und Parteiführer hielt, nicht besonders einflussreich 
waren, insbesondere im Vergleich mit den Propagandaerfolgen, die auch
neuere Studien ihm als Diktator zusprechen", ergänzen Selb und 
Munzert. Denn nach 1933 entfaltete die Nazi-Propaganda mit Hitler an 
der Spitze im Zuge der Gleichschaltung eine starke Durchschlagskraft 
mit langfristigen Auswirkungen auf die kollektive Wahrnehmung, 
Gesinnung und Verhalten der Menschen, wie empirisch fundierte Studien
belegen.
   Selb und Munzert: "Andere Studien betonen die entscheidende Rolle 
der wirtschaftlichen und politischen Zeitumstände, also 
Massenarbeitslosigkeit und wirtschaftliche Not, die mangelnde 
Unterstützung für die Demokratie, die Entfremdung zwischen 
etablierten Parteien und Wahlvolk sowie die Schwäche staatlicher 
Institutionen für den Aufstieg der NSDAP. Wir können bestätigen, dass
die Bedeutung Hitlers als charismatischem Redner demgegenüber 
zurücktritt."  Auf der Grundlage dieses historischen Belegs empfehlen
die Wissenschaftler, auch die herkömmliche Meinung, dass 
charismatische Führungsfiguren einen entscheidenden Erfolgsfaktor für
den Aufstieg für zum Beispiel rechtspopulistische Bewegungen 
darstellen, mit Skepsis zu betrachten.
   Simon Munzert ist Lecturer in Political Data Science an der Hertie
School of Governance in Berlin. Zu seinen Forschungsinteressen zählen
Dynamiken öffentlicher Meinung sowie die Rolle neuer Medien für 
politische Prozesse. Er ist Leiter des internationalen 
Kooperationsprojekts "Media Exposure and Opinion Formation in an Age 
of Information Overload", das von der Volkswagen-Stiftung gefördert 
wird, sowie Stipendiat der Daimler-und-Benz-Stiftung. Er wurde an der
Universität Konstanz promoviert.
   Peter Selb ist Professor für Umfrageforschung am Fachbereich 
Politik- und Verwaltungswissenschaft der Universität Konstanz. Er 
beschäftigt sich mit politischem Verhalten, öffentlicher Meinung und 
mit den Methoden der Meinungsforschung. Er war Projektleiter der 
Schweizerischen Wahlstudie und ist an der Konstanzer 
Forschungsinitiative "The Politics of Inequality" beteiligt, die 
zurzeit am Wettbewerb der Exzellenzstrategie des Bundes und der 
Länder teilnimmt.
   Den Aufsatz Examining a Most Likely Case for Strong Campaign 
Effects: Hitler''s Speeches and the Rise of the Nazi Party, 1927-1933 
von Peter Selb und Simon Munzert, der in Kürze im American Political 
Science Review erscheint, finden Sie hier: 
https://osf.io/vyds8/download.
   Grafiken zum Aufsatz können zudem hier heruntergeladen werden: 
http://bit.ly/munzertselb_graphs.
   Die Hertie School of Governance ist eine staatlich anerkannte, 
private Hochschule mit Sitz in Berlin. Ihr Ziel ist es, herausragend 
qualifizierte junge Menschen auf Führungsaufgaben im öffentlichen 
Bereich, in der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft 
vorzubereiten. Mit interdisziplinärer Forschung will die Hertie 
School zudem die Diskussion über moderne Staatlichkeit voranbringen 
und den Austausch zwischen den Sektoren anregen. Die Hochschule wurde
Ende 2003 von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung gegründet und wird 
seither maßgeblich von ihr getragen. www.hertie-school.org
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Datum: 06.08.2018 - 11:00 Uhr
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