Glühbirnen-Nebelwerfer unterm Weihnachtsbaum / Chronik eines Tages
(ots) - Energiesparlampen und Europa-Politiker haben
etwas gemeinsam: Ihr Image ist nicht das Beste.
Kein Problem, dachten sich die EU-Parlamentarier Herbert Reul
(CDU) und Sylvana Koch-Mehrin (FDP). Minus mal minus ergibt plus. Dem
großen PR-Abgang in den Weihnachtsurlaub sollte ausgerechnet die
Energiesparlampe die nötige Strahlkraft verleihen.
Es traf sich, dass das Umweltbundesamt UBA bereits Anfang Dezember
eine Pilotstudie veröffentlicht hatte. Gerade mal zwei
Energiesparlampen hatte die Behörde einen allerersten Bruchtest
unterzogen. Erwartungsgemäß wurde eine sehr geringe Menge
Quecksilberdampf freigesetzt. Ohne den funktionieren
Energiesparlampen nun mal nicht.
Pflichtgemäß, aber reichlich seitenlang, wies das UBA zum
wiederholten Mal darauf hin, was in einem solchen Fall zu tun ist:
die Bruchstücke der Lampe entfernen und gründlich lüften. Kinder und
Schwangere bitte fernhalten. Sicher ist sicher. In Kinderzimmern
besser Energiesparlampen mit Splitterschutz verwenden.
Problem erkannt. Gefahr gebannt. Doch am 22. Dezember präsentierte
die Tageszeitung "Welt" das parlamentarische Europa-Duo als Retter
der Glühlampe: "Ich werde alles tun, um das Glühbirnenverbot der EU
doch noch zu kippen", kündigte Herbert Reul an und hielt gar ein
Vertriebsverbot von Energiesparlampen für geboten, "aufgrund der
nachgewiesenen Gesundheitsgefahren." Die dreifache Mutter Sylvana
Koch-Mehrin warnte: "Keine Energiesparlampen in Kinderzimmern
verwenden!"
Die Sache kam frühmorgens in Schwung: Die Agentur AFP lieferte die
Vorlage, Frühstückfernsehen und Hörfunk stiegen auf das Thema ein,
die ersten Online-Redaktionen schrieben sich warm: "Führende
EU-Parlamentarier wollen Glühlampenverbot kippen".
Was das UBA tatsächlich in der Studie über Energiesparlampen
geschrieben und empfohlen hatte, wieso die Glühlampenretter nicht
schon vor zwei Jahren Mehrheiten gewinnen konnten, welche Chancen die
vollmundige Ankündigung im EU-Parlament überhaupt hat, welche
Interessen Reul und Koch-Mehrin geleitet haben mögen - den meisten
(aber zum Glück für den Leser längst nicht allen)
Nachrichtenverarbeitern war's egal: Wer lässt sich schon gerne den
flotten, bürgernahen Kommentar durch schnöde Fakten versauen? Die EU
in die Schäm-Ecke zu stellen fällt noch leichter als sich über
winterliche Bahnverspätungen aufzuregen.
Nachmittags per dpa ein Statement der Sprecherin von
EU-Energiekommissar Günther Oettinger. Es gebe kein Vorhaben der
Kommission, die Gesetzgebung zu ändern. Eine Lanze für die
Energiesparlampen: "Unsere Wissenschaftler sagen, es gibt kein
Risiko."
Später dann die Klarstellung von UBA-Präsident Jochen Flasbarth
bei AFP, dem die Geister, die er beschworen hatte, nun endlich
unangenehm zu werden schienen: "Es wäre falsch, jetzt in das
Zeitalter der Energieverschwendung zurückzukehren." Die Forderung
nach einem Aussetzen des Glühlampenverbots sei insgesamt nicht
verhältnismäßig. Der Weg bleibe richtig, für mehr Energieeffizienz im
Bereich der Beleuchtung zu sorgen.
Fazit: Ein Tag Hype, passend zum Wintertauwetter mehr vernebelt
als geklärt. Herbert Reul und Sylvana Koch-Mehrin am heimischen
Christbaum angekommen. Millionen von Medien- und Lampennutzern
verunsichert. Weiter geht's im neuen Jahr!
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Datum: 23.12.2010 - 18:39 Uhr
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